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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön
Autoren: Inge Löhnig
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Schmetterling entschlüpfen würde, sondern ein in die Jahre gekommener Rocker, der weder von Lederkluft noch von seiner Harley lassen konnte. Sie trafen sich vor dem Bus. Buchholz schob die Tür auf und holte zwei Alukoffer hervor, die Video- und Fotoausrüstung enthielten. »Heute kommst du erst rein, wenn wir den Fundort dokumentiert haben.«
    »Fundort? Nicht Tatort?«
    Buchholz zuckte die Schultern. »Die Leiche ist in Teichfolie eingewickelt. Fünfzehn Minuten, dann kannst du dir das ansehen. Ist ein Rechtsmediziner auf dem Weg?«
    »Die Weidenbach müsste demnächst vorfahren«, sagte Gina.
    Dühnfort ging zu Alois, während sie die Rampe erklomm und sich zu den Kollegen der Schutzpolizei gesellte.
    Alois Fünfanger trug trotz der Hitze Anzug, Hemd und Krawatte. Da Dühnfort sportliche Kleidung bevorzugte – heute trug er eine hellbeige Chino, ein dezent gestreiftes Hemd und ein dazu passendes Sakko –, kam es hin und wieder vor, dass man nicht ihn, sondern Alois für den Leiter der Ermittlungen hielt.
    Alois begrüßte Dühnfort mit einem Kopfnicken. »Das ist Frau Senger, sie hat die Leiche gefunden.« Er wies auf die junge Frau, die auf dem Bretterstapel saß und nun aufstand. Sie war höchstens zweiundzwanzig, hübsch wie ein Model und ebenso groß wie Dühnfort. An den zerschrammten Beinen klebten auf gleicher Höhe zwei Pflaster. Etwas Trauriges und zugleich Trotziges lag in ihrem Gesicht. Sie umfasste ihre Ellenbogen mit den Händen, als wolle sie sich abriegeln, Distanz wahren. Gleichzeitig stellte sie sich schützend vor einen Rucksack, der auf dem Boden lag.
    Er bot ihr die Hand. »Dühnfort. Ich werde die Ermittlungen in diesem Fall leiten.«
    Sie ergriff die Hand nicht. »Sie sind also sein Chef.« Mit einer Kopfbewegung wies sie auf Alois.
    Dühnfort bestätigte das.
    »Dann erklären Sie ihm, dass er meine Kamera nicht kriegt. Ich habe die Frau schließlich nicht umgebracht. Nur gefunden.«
    »Worum geht es?«, fragte er Alois.
    »Frau Senger hat hier fotografiert. Vielleicht auch die Leiche …«
    »Hab ich nicht.«
    »Wir sollten verhindern, dass diese Bilder an die Medien gelangen.«
    Etwas gefiel Dühnfort nicht. »Kann ich dich kurz alleine sprechen?« Er trat mit Alois zur Seite. »Was ist los? Weshalb glaubst du, sie würde die Bilder verkaufen?«
    Alois senkte die Stimme. »Einer der Kollegen kennt sie«, er wies zur Rampe. »Viktoria Senger ist polizeibekannt. Kaufhausdiebstähle, Schlägereien, Pöbeleien, Sachbeschädigung. Ein ganz schönes Früchtchen. Er meint, sie habe auch eine Zeitlang auf der Straße gelebt. Sie wird die Kohle brauchen. Außerdem sollten wir checken, ob die Kamera geklaut ist. Das ist ein teures Stück. Zehn Megapixel, Spiegelreflex.«
    Dühnfort warf einen verblüfften Blick auf die junge Frau. Sie hielt ihm trotzig stand. Ihre blauen Augen funkelten unter dunklen Locken hervor, gleichzeitig wirkte sie wie ein verlorengegangenes Kind. Alois’ Vorurteile gefielen Dühnfort nicht. Außerdem war Viktoria Senger eine Zeugin, mit der er es sich nicht gleich verderben wollte. »Ich denke, es ist ausreichend, wenn sie uns die Speicherkarte gibt. Kümmere du dich um die Absperrung und Kollegen, die das Areal und den Wald absuchen.«
    »Wie du meinst.« Alois zuckte mit den Schultern und zog sein Handy aus der Halterung am Gürtel. Dühnfort kehrte zu Viktoria Senger zurück und setzte sich neben sie auf den Bretterstapel, während Alois sich Richtung Tor entfernte. »Ihre Kamera benötigen wir nicht. Aber wenn Sie so nett wären, mir den Speicherchip zu geben. Die Aufnahmen gehören nun mal zu den Beweismitteln.«
    »Aber der Typ von der Spurensicherung fotografiert doch auch.«
    »Frau Senger, bitte …«
    Missmutig verzog sie den Mund, bückte sich, holte die Kamera aus dem Rucksack hervor und entnahm ihr die Karte, auf der die Aufnahmen gesichert waren. »Bitte schön! Sind eh nur zwei oder drei.«
    »Danke schön«, erwiderte er mit einem Lächeln und steckte sie in die Sakkotasche. »Was kann man hier eigentlich fotografieren? Das sind ja keine gängigen Motive.« Dühnfort wies auf die einsturzgefährdeten Gebäude.
    »Das ist Ansichtssache. Mir gefällt es.«
    »Sind Sie deswegen hierhergekommen? Um die Faszination dieser maroden Welt festzuhalten, bevor sie ganz vergangen ist?«
    Sie warf ihm einen Seitenblick zu. »Sie sehen das also auch.«
    »Ein ausgefallenes Hobby haben Sie sich da ausgesucht. Irgendwie traurig und romantisch zugleich«, sagte
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