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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön
Autoren: Inge Löhnig
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hervorstechenden Hüftknochen, die Haut seltsam hell, wie Marmor. Das einzige Kleidungsstück war ein zartrosa schimmernder Strumpf, der von einem spitzenverzierten Band am linken Bein gehalten wurde.
    »Eine kopflose Braut.« Gina sprach leise und schüttelte den Kopf.
    »Wie meinst du das?«
    Ihr Rücken straffte sich, die Stimme wurde fest. »Das war mein erster Gedanke. Obwohl der Strumpf rosa ist. Wer zieht denn so was an? Bräute und Nutten vielleicht.«
    »Und Frauen, die einem Mann gefallen wollen«, ergänzte Alois.
    Gina entwischte ein halbherziges Grinsen. »Du musst es ja wissen.«
    Mittlerweile hatte Buchholz den Müllbeutel geöffnet und davon verschiedene Aufnahmen gemacht. Nun bückte er sich zögernd, um den Inhalt hervorzuholen, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne und richtete sich wieder auf. »Ich komme mir vor wie ein Scharfrichter. Kann jemand anderes das machen? Wo bleibt denn die Weidenbach?«
    Von der Rampe her drangen mit einem Mal laute Stimmen. Ein Mann mit einer Kamera auf der Schulter versuchte durch die Fensteröffnung zu klettern. Auf dem Basecap des Eindringlings prangte das Logo eines privaten Fernsehsenders. Sein konzentrierter Blick verriet, dass die Aufzeichnung lief. Krampfhaft bemühte er sich, die Kamera ruhig zu halten, da einer der Streifenpolizisten an seinem Arm zerrte, um ihn zurückzuhalten. Von draußen war die Stimme einer Frau zu vernehmen, die offenbar auf den anderen Kollegen der Polizeiinspektion 28 einredete.
    Dühnfort eilte auf den Mann zu, die Arme ausgebreitet, als könnte er so die Tote vor diesem voyeuristischen Übergriff schützen. »Raus!«, brüllte er. »Stoppen Sie die Aufnahme! Sofort. Sonst lasse ich Sie wegen Behinderung einer polizeilichen Ermittlung festnehmen.«
    »Hier wurde eine Leiche gefunden. Können Sie das bestätigen?« Ungerührt filmte der Mann weiter. Halb drinnen, halb draußen.
    »Stoppen Sie die Aufnahme, dann bekommen Sie eine Antwort.« Das half. Der Eindringling ließ die Kamera sinken und sah Dühnfort erwartungsvoll an.
    »Es wird eine Presseinformation geben. Abrufbar auf unserer Webseite, vielleicht auch eine Pressekonferenz. Dazu sind Sie herzlich eingeladen. Und jetzt verlassen Sie mit Geleitschutz das Gelände, oder ich mache Ernst.« Dühnfort wandte sich an Alois, der neben ihn getreten war. »Das ist dein Job.«
    Offensichtlich wusste der Mann, wann er verloren hatte, denn er zog sich zurück. »Danke, ich finde alleine raus.«
    »Das bezweifle ich.« Dühnfort gab Alois ein Zeichen.
    »Wieso ich?«, fragte er leise. »Das können doch …«
    »Weil du die Absperrung organisieren solltest«, erwiderte Dühnfort scharf, aber ebenso leise. »Ich erwarte, dass das umgehend geschieht, und dann fährst du mit Frau Senger ins Präsidium und nimmst ihre Aussage auf.«
    Alois’ Kiefer mahlte. Er drehte sich abrupt um. »Kann denn nicht einer mal diese Scheißtür hier aufmachen?«, schimpfte er, bevor er durch das Fenster nach draußen stieg.
    Dühnfort beobachtete, wie er das Team des Fernsehsenders vor das Tor begleitete. Im selben Moment fuhr ein silberner BMW auf den Hof. Die Rechtsmedizinerin Dr. Ursula Weidenbach war da.
    Sie holte einen Alukoffer aus dem Wagen, entdeckte Dühnfort und nickte grüßend zu ihm hinüber. Sie war groß, schlank, ein sportlicher Typ. Ihr graues Haar war zu einer pflegeleichten Kurzhaarfrisur geschnitten. Eine silbergefasste Brille vergrößerte die Falten in den Augenwinkeln. Nachdem sie einen Overall angezogen hatte, betrat sie auf gleichem Weg den Fundort wie alle anderen vor ihr. Dühnfort half ihr mit dem Koffer und ging voran.
    Gina hatte sich zu Buchholz auf die gemauerte Einfassung neben dem Sudkessel gesetzt und starrte auf die Mülltüte, während im hinteren Bereich des Raumes die Mitarbeiter der KTU weiter ihre Arbeit verrichteten.
    Die Rechtsmedizinerin stellte den Koffer ab und betrachtete die Leiche, während sie sich Latexhandschuhe überstreifte. »Meine Güte. So etwas sieht man auch nicht alle Tage.« Dann ging sie in die Hocke, nahm die Tote in Augenschein und schaute sich suchend um, bis sie den Müllbeutel entdeckte. »Der Kopf ist da drinnen, wie ich vermute?«
    Buchholz nickte.
    Seufzend erhob sich Ursula Weidenbach, ließ die Schlösser des Koffers aufschnappen und holte ein Stück Folie hervor, das sie auf dem Boden ausbreitete. »Falls jemand frische Luft schnappen will, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt dafür.« Ohne sich zu vergewissern, ob einer der Anwesenden
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