Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah
Autoren: Marleen Reichenberg
Vom Netzwerk:
meinem inneren Auge zu sehen löste ein ziehendes
Wehmutsgefühl in mir aus. Ich war noch nicht soweit, ihm unbefangen gegenüber treten
zu können, geschweige denn, ihn als Ehemann meiner Freundin und Vater ihres
Kindes zu akzeptieren.
    Dr. Brauer
beobachtete mich aufmerksam.
    »Frau Achern,
Sie müssen sich nicht sofort entscheiden. Ich wollte Ihnen nur die Option
anbieten und ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn Sie bereit wären, hier
an der Klinik weiterzuarbeiten.«
    Mein Engelchen
richtete sich neugierig auf. Oha, das klang sehr enthusiastisch. Vor allem für
einen kühlen Hanseaten wie ihn. Er hatte mit mir, seit ich hier war, außer ein
paar höflichen Worten oder einem kurzen Gruß nie länger gesprochen. Dieses
distanzierte Verhalten durchbrach er nun komplett, indem er sich nach vorne
beugte und erklärte:
    »So, und
nachdem wir nun das Geschäftliche geregelt haben, kommen wir zum Privaten. Ich
würde Sie gerne zum Abendessen einladen, damit wir uns ein wenig besser
kennenlernen. Hätten Sie am Freitagabend Zeit? Es gibt da ein neues Viersterne-Restaurant
in der Speicherstadt, wo wir hingehen könnten.«
    Wie durfte
ich das mit dem "Besser kennenlernen" auffassen? Ich war mir
angesichts seiner freundlich-unverbindlichen Miene völlig unsicher, ob er das
jetzt rein kollegial meinte oder tatsächlich mehr von mir wollte.
    Tessa,
wenn ein Mann eine Frau zum Essen einlädt, dann will er immer etwas von ihr! schoss mir eine Aussage meines
Exfreundes Paul durch den Kopf.
    Ich gab mir
einen Ruck. Allein angesichts der Tatsache, dass mir der Mann eben einen neuen
Job angeboten hatte, wäre es höchst unklug, ihn jetzt mit einer Ablehnung vor
den Kopf zu stoßen. Immerhin war ich ihm einen bestimmt nicht billigen Abend in
einem Viersterne-Lokal wert.
    Freundlich
lächelte ich ihn an.
    »Ja, sehr
gerne. Ich habe am Freitagabend nichts vor.«
    Er erklärte
mir, mich gegen halb acht bei mir abholen zu wollen und ich gab ihm die
Adresse.
    Auf dem
Nachhauseweg grübelte ich, ob es richtig war, mit einem Mann, der mich bisher
überhaupt nicht privat interessiert hatte, ein Date auszumachen.
    Zudem war er
ein vollkommen anderer Typ als die Männer, die mich bisher gereizt hatten. Er
war groß und schlaksig, hatte rötliches Haar und einen Vollbart, blaue Augen
und eine eher zurückhaltende Art. Sah man ihn in der Klink, wirkte er kompetent
und einschüchternd, da er meist ernst und konzentriert dreinsah. Und er
s-tolperte, wie alle Hamburger, beim Sprechen über den s-pitzen S-tein.
Irgendwie klang das, zumindest für meine derbe bayerische Art, affig und meine
überschießende Vorstellungskraft versorgte mich sofort mit unanständigen
Szenen, bei denen er dann leidenschaftliche Sätze  wie "Zieh bitte deine
S-trümpfe aus, damit ich dich s-treicheln und s-timulieren kann" sagen
würde…
    Ich kam zu
dem Entschluss, dass dieses Abendessen die perfekte Gelegenheit darstellte, auch
einmal einem Mann, der mich nicht auf Anhieb faszinierte, eine Chance zu geben.
Bei meinem bisherigen Männergeschmack hatte ich nicht unbedingt ein glückliches
Händchen bewiesen.
    Sagte man
nicht, dass die Beziehung von Paaren, welche sich nicht auf den ersten Blick
ineinander verliebten, länger hielt? Früher waren die Leute ständig
Vernunftehen eingegangen. Und hatten oft erst im Laufe ihrer Ehe Zuneigung
füreinander sowie ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. Wahrscheinlich war
es viel besser, die rosarote Brille bei der Partnerwahl wegzulassen.
    Ergo würde
ich Burt Lancaster, den roten Korsaren gegen Clemens, den roten Wikinger eintauschen!
    Ich stoppte
mich selbst. Es ging hier erst einmal lediglich um eine Einladung zu einem
Abendessen. Alles Weitere würde sich ergeben oder auch nicht.
    An meinem
letzten Geburtstag hatte mich allerdings ein leiser Anflug von Torschlusspanik
ergriffen. Schon bald dreißig und immer noch ohne Mann, geschweige denn einer
Familie!
     
    Ich war nicht
gerne allein, obwohl das in der heutigen Zeit für eine Frau keinerlei Problem
mehr darstellte. Klar, ich war durchaus in der Lage, mich selbst ernähren zu
können. Dennoch sehnte ich mich nach einem Menschen, mit dem ich mein Leben
teilen konnte. Jemand, für den ich die wichtigste Person auf Erden war und
umgekehrt. Und es sollte ein Mann sein, der bereit war, Verantwortung zu
übernehmen. Einer, auf den ich mich verlassen konnte und der mit mir zusammen
eine Familie gründen würde, denn Kinder wollte ich unbedingt.
    Womit wir
wieder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher