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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah
Autoren: Marleen Reichenberg
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Argumente nicht mehr als solche erkennen konnte.
    Ich
bewunderte ihn für seine tadellose Contenance, mit der er weiter ein höfliches
Gespräch in Gang hielt. Er erkundigte sich, wo in München ich geboren worden
war und versuchte sogar, ein paar nette Sätze über meine Heimatstadt zu sagen.
    Aber eine
Gegend, in der die Leib- und Magenspeise der Einwohner aus Schweinshaxe mit
Knödeln und einem Weißbier bestand, konnte ihm nicht wirklich gefallen.
    Im Laufe des
Abends gelang es uns dann nach dem etwas holprigen Start, unsere Unterhaltung
auf eine freundlichere Ebene zu stellen. Wir sprachen über Theater und Opern
und er freute sich, in mir eine Musikliebhaberin gefunden zu haben. Von  meinen
Porschetouren mit AC/DC-Beschallung oder meiner Vorliebe für andere Trivial-Musikinterpreten
erwähnte ich selbstverständlich keine Silbe.
    Unsensibel
wie ich war, hatte ich mir zum Essen einen Glas Rotwein geordert. Der Genuss
desselben ließ mich etwas lockerer werden und löste auch meine Zunge, mehr als
mir lieb war.
    Bevor der
Nachtisch serviert wurde, unterhielten wir uns gut. Er lächelte mich sogar
öfter an und mir schien, als ob er mich trotz meines Alkoholiker- und
Fleischfresserstatus mehr als sympathisch fände.
    Leider beging
ich, vermutlich durch den Alkoholgenuss bedingt, beim Servieren unseres
Nachtischs meinen dritten und diesmal unverzeihlichen Fauxpas.
    Während sich
Clemens, wie ich ihn seit zehn Minuten nennen durfte, mit frischen Früchten
begnügte, hatte ich Vielfraß mir eine Mousse au Chocolat bestellt. Und als der
Kellner die beiden wunderschön dekorierten Glasplatten vor uns abstellte,
deutete ich kichernd auf die beiden leuchtend orangenfarbenen Physalisfrüchte
am Rande meines Tellers und erklärte törichterweise:
    »Bei dem Zeug
muss ich immer an eine Geschlechtskrankheit denken!«
    Clemens´ eben
noch freundliche Miene gefror zu einer ausdruckslosen Maske. Ich hörte den
jungen Kellner hinter mir - an den hatte ich gar nicht mehr gedacht - einen
erstickten Laut von sich geben, während er sich rasch in Richtung Küche
entfernte. Zweifellos, um dort die gesamte Belegschaft mit meiner dummen
Bemerkung aufzuheitern.
    Der Rest des
Abends verlief in frostigem Schweigen und ich kam mir vor wie der letzte
Bauerntrampel. Mein Begleiter setzte mich vor dem Haus, in welchem sich meine
Übergangwohnung befand, ab. Ich erhielt auf mein artiges Dankeschön für den
Abend ein kurzes Nicken, dann fuhr das Taxi auch schon weiter.
    Klasse,
Tessa. Auf der ganzen Linie versagt! Aber woher sollte ich denn auch Erfahrung
im Daten haben? Mein Männerverschleiß hatte sich bis jetzt in Grenzen gehalten.
In der Uni ging das Kennenlernen völlig unkompliziert vor sich. Man traf sich
in den Vorlesungen und ging dann in der Mensa Kaffee trinken. Paul hatte wie
bereits erwähnt mich angesprochen und Lucas stand sozusagen plötzlich vor
meiner Haustür…
    Außerdem - so meldete sich mein Engelchen
besserwisserisch - hat der gute Clemens keinen Funken Humor im Leib!
    Unwillkürlich
dachte ich rührselig an Lucas, mit dem man so herrlich blödeln und sich verbale
Schlagabtäusche liefern konnte. Der hätte bei dem Vergleich von Syphilis
und Physalis garantiert gebrüllt vor Lachen.
    Verdammt, ich
musste mir diesen Mann endlich aus dem Kopf schlagen.
    Ich würde
einfach weiterhin hier in Hamburg versuchen, passende Männer kennenzulernen.
Eventuell sogar über eine Partneragentur im Internet. Da konnte man schon eine
gewisse Vorauswahl treffen! Ich könnte auch eines jener berüchtigten
Speed-Datings besuchen, wo man innerhalb einer Stunde sieben verschiedene
Männer traf und sich innerhalb weniger Minuten sein gesamtes Leben, seine persönlichen
Vorlieben und Macken um die Ohren warf, um am Ende dieses Zeitraumes darüber zu
entscheiden, ob das Gegenüber ein zweites Treffen wert war. Allerdings müsste
ich vorher vermutlich einen Schnellsprechlehrgang absolvieren.
     
    Glücklicherweise
war Clemens nicht von der nachtragenden Sorte. Als wir uns am Montagmorgen auf
dem Gang der Station über den Weg liefen, nickte er mir mit einem freundlichen
Lächeln zu, bevor er in einem der Zimmer verschwand. Ich lächelte ebenso
fröhlich zurück und war erleichtert, mir durch mein unüberlegtes Verhalten
keine Probleme bei der Arbeit geschaffen zu haben. Es hatte eindeutig Vorteile,
wenn ein Mann gefühlsmäßig etwas retardiert und nicht nachtragend war.
     
    Ende August
war ich mir immer noch nicht im Klaren über meine
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