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So schoen und kalt und tot

So schoen und kalt und tot

Titel: So schoen und kalt und tot
Autoren: Jane Withcomb
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waren totenblass.
       Melanie hatte das Gefühl, als würde eine eiskalte Hand nach ihr greifen. Gänsehaut lief ihr über Rücken und Arme. Sie drehte sich langsam um und starrte zu der Glasscheibe, die eigentlich den Blick zum Gang zeigen sollte.
       Doch etwas anderes spiegelte sich in dem schmutzigen Glas. Es war ein Gesicht, das Gesicht eines Mannes, geheimnisvoll, gefährlich und Hass erfüllt grinsend. Er hatte viele dunkle Haare, doch wie lang sie waren, konnte man nicht erkennen.
       „Wer ist das?“, fragte Melanie mit zitternder Stimme, ohne dass sich ihre Lippen dabei bewegten. „Ich kenne ihn nicht.“
       „Ich sehe niemanden“, meinte Daisy verwundert. „Ihr bildet euch das alles nur ein.“
       „Es ist der Dunkle aus meinem Traum“, antwortete Alanis, ohne den Blick von der Erscheinung zu wenden. „Er will uns holen.“ Sie wich bis ans Fenster zurück und setzte sich auf ihren Platz. Dann drückte sie sich, so gut sie es vermochte, in die Ecke und zog die Knie hoch.
       „Also ich denke, ihr bildet euch das ein.“ Daisy setzte sich nun ebenfalls. „Das ist eine Lichtspiegelung, nichts weiter.“
       Melanie wusste es besser, denn noch immer sah sie schemenhaft die Fratze des Fremden in dem Fenster. Doch sie schien bereits zu verblassen. „Wer ist das?“ Sie zermarterte sich das Gehirn, denn trotz allem wurde sie das Gefühl nicht los, ihn schon einmal gesehen zu haben.
       Langsam kehrten ihre Lebensgeister und damit auch ihr Mut zurück. Mit einem großen Schritt war sie an der Tür und riss sie auf. Jetzt wollte sie es genau wissen. Doch da war nichts. Der Gang war leer, und alle Türen waren geschlossen. Der Fremde hätte nicht einmal die Gelegenheit und vor allem nicht die Zeit gehabt, in einem der kleinen Räume zu verschwinden.
       Völlig verwirrt ging sie in ihr Abteil zurück und ließ sich matt auf den Sitz fallen. „Das verstehe ich nicht“, murmelte sie vor sich hin. „Er war da. Ich hab ihn selbst gesehen.“
       „Er wird wiederkommen, sehr bald schon“, antwortete Alanis und schien in weite Ferne entrückt. Sie hatte den Kopf zurück gelehnt und die Augen halb geschlossen. „Er hat einen Plan, der mit uns zu tun hat.“
       „Wie meinst du das?“
       Alanis antwortete nicht, doch sie begann plötzlich, heftig zu zittern, als hätte sie Fieber oder Schüttelfrost. „Wir werden sterben.“ Ihre Stimme war nur noch ein Hauch. „Er wird uns so lange suchen, bis er uns gefunden hat.“
       „Das ist Unsinn, Alanis, und du weißt das auch. Ich mag es nicht, wenn du so tust, als könntest du in die Zukunft sehen." Melanie war jetzt richtig ärgerlich.
       Alanis schien sie gar nicht gehört zu haben. „Da bist du ja wieder.“ Ihr Gesicht entspannte sich. „Endlich bist du wieder da, Countess.“ Sie lächelte liebevoll. Dann lehnte sie den Kopf zurück und schloss die Augen.
       „Countess“, wiederholte Melanie. „Wer ist Countess?“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen und verschleierten die Umgebung. Sie fühlte sich so unerträglich hilflos wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Alles sah auf einmal so unwirklich aus, als würde sie es aus einer anderen Dimension betrachten. Und dann entdeckte sie den großen weißen Hund, der zu Alanis´ Füßen lag. Mit großen dunklen Augen schaute er sie an, als wüsste er um ihren Kummer.
       Da ahnte Melanie zum ersten Mal, dass der Zug direkt ins Verderben fuhr. Und sie hatte keine Möglichkeit mehr, etwas zu ändern. Der Weg führte geradewegs in den Tod.
     
    * * *
     
       Milchige Nebelschwaden glitten zwischen den alten Bäumen hindurch und klebten wie festgefroren an Blättern und Stämmen. Es dämmerte bereits, bald würde es Nacht sein.
       In der Luft lag der unangenehme Geruch nach Moder und nasser Erde. Es hatte den ganzen Tag geregnet und der Boden schmatzte unter jedem Schritt, den der hoch gewachsene Junge machte, der jetzt zwischen den Bäumen hindurch schlich. Offensichtlich hatte er ein festes Ziel, denn er ließ sich durch nichts beirren, auch nicht durch die dichten Büsche, die ihm das Weitergehen erschwerten.
       „Benny, komm endlich heim. Wo steckst du denn wieder?“ Eine schlanke, sehr schöne Frau, kam aus dem imposanten steinernen Gebäude, das sich trutzig wie ein Mahnmal gegen den grauen Himmel abhob. Rochester Castle.
       „Lass mir Zeit, Mum“, antwortete der Angesprochene und blieb stehen. Der Junge war um die elf Jahre alt und seiner Mutter wie
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