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So schoen und kalt und tot

So schoen und kalt und tot

Titel: So schoen und kalt und tot
Autoren: Jane Withcomb
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Schirme?“, fragte Melanie und versuchte verzweifelt, die kleineren Taschen allesamt in eine Hand zu nehmen. Fast hatte sie das Gefühl, als würde sie gleich unter der Last zusammenzubrechen.
      „Lass mir doch auch noch etwas“, schimpfte Alanis und warf ihr langes dunkles Haar zurück, das ihr immer wieder vor die Augen fiel. „Ich bin schließlich nicht aus Zucker und kann auch Lasten tragen.“
       „Ich hab dir gesagt, binde deine Haare zusammen und setz die Haube auf. Es macht einen schlechten Eindruck, wenn du so zerzaust in Glannagan ankommst.“
       „Du bist altmodisch“, murrte Alanis und lächelte. „Wenn wir erst in Schottland sind werde ich nur noch Hosen tragen und auf den Wildpferde reiten.“
       „Nimm die Schachtel mit den Andenken“, knurrte Melanie gespielt verärgert. Sie hatte es tatsächlich geschafft, den größten Teil des Gepäcks sich selbst aufzulasten. „Schnell, beeil dich. Wir müssen rasch unser Abteil suchen.“
       Der Lärm war höllisch, als der Zug, in eine dichte Rauchwolke gehüllt, in die Station einfuhr. Die Reisenden drängten zu den geöffneten Türen, Rufe waren zu hören, Schreie und Pfiffe, Schaffner hetzten zwischen den vielen Menschen hindurch und versuchten zu schlichten und zu vermitteln.
       Melanie hatte nach längerem Quälen durch die vollen Abteile endlich das kleine Zugabteil gefunden, in dem nur vier Sitzplätze waren, in dem sie zwei für sich und Alanis reserviert hatte. „Das ist jetzt für die nächsten Stunden unser Zuhause“, versuchte sie einen Scherz.
       Mit einem leisen Stöhnen ließ sich Alanis am Fenster nieder, nachdem sie das Gepäck gemeinsam verstaut hatten. „Mir ist ganz seltsam zumute“, sagte sie mit bebender Stimme. „Es fühlt sich an, als würde Unheil auf uns zukommen. Vielleicht kommt die Frau mit dem Hund auch in unser Abteil, das wäre toll.“
       „Bitte nicht unken.“ Melanie verzog das Gesicht. „Das ist genau das, was ich jetzt nicht haben kann. Entspann dich und schau zuversichtlich in die Zukunft. Wir haben lange genug über diesen Schritt diskutiert und uns gemeinsam dafür entschieden. Jetzt müssen wir auch gemeinsam den eingeschlagenen Weg gehen. Außerdem hat die Frau mit dem Hund vermutlich ein eigenes Abteil gebucht. Sie sah nicht aus, als könnte sie sich das nicht leisten.“
       „Du hast ja Recht, Mel“, antwortete Alanis Schuld bewusst. „Ich hatte nur letzte Nacht so einen seltsamen Traum. Ich sah uns beide durch einen düsteren Park laufen und wir wussten nicht, wohin wir gehen sollen. Jemand folgte uns, aber wir konnten ihn nicht sehen. Es war so unheimlich, dass ich jetzt noch eine Gänsehaut bekomme, wenn ich nur dran denke.“
       „Jetzt kann ich deine Bedenken verstehen.“ Melanie atmete erleichtert auf. „Du hast ganz einfach Angst vor der Veränderung. Aber glaub mir, die hab ich auch. Das ist doch ganz normal. Wenn wir immer fest zusammen halten, kann uns gar nichts geschehen. Daran müssen wir glauben, sonst haben wir nichts mehr.“
       Alanis sagte nichts dazu. Sie tat so, als würde sie interessiert aus dem Fenster sehen. Doch ihre Gedanken wanderten in ihre eigene Richtung, zurück in den Park aus ihrem Traum. Ganz genau hatte sie alles gesehen, die hohen Bäume, deren Blätter im Sommerwind laut geraschelt hatten, und den hellen Kiesweg, dessen kleine Steinchen unter jedem Schritt knirschten.
       Das Mädchen schloss die Augen. In der letzten Nacht hatte Alanis kaum geschlafen, nach diesem Alptraum war sie hellwach gewesen. Dazu kamen dann die Zukunftsängste, die sie nicht mehr einschlafen ließen.
       Ein kühler Luftzug streifte ihren Arm. Sie spürte, wie eine Gänsehaut über ihren Rücken kroch. Erschrocken öffnete sie die Augen in der Meinung, Melanie hätte das Fenster ein Stück geöffnet. Doch es war noch immer geschlossen.
       Melanie hatte sich in ein Buch vertieft, das sie sich für die Fahrt im Handgepäck mitgenommen hatte. Es schien sie sehr zu interessieren, zumindest tat sie so. In Wirklichkeit jedoch hatte sie dieselben Bedenken wie ihre Schwester. Was würde sie in Glannagan erwarten? War die Arbeit so, wie sie es sich vorstellte oder betrat sie dabei völliges Neuland?
       Verloren blickte sie aus dem Fenster. Wie Spielzeug huschte die Landschaft draußen vorbei. Es war ein trüber Tag, und es sah aus, als würde es bald Regen geben.
       Für Melanie war es in der letzten Zeit ziemlich gleich, ob es regnete oder ob die
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