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So schoen und kalt und tot

So schoen und kalt und tot

Titel: So schoen und kalt und tot
Autoren: Jane Withcomb
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fährst, dann wirst du es dir im letzten Moment doch noch überlegen und die Reise dann antreten. Da ist mir das Risiko zu hoch. Also fahr lieber gleich und schiebe es nicht auf. Immerhin haben wir dir ja auch schon die Fahrkarte besorgt, und Angela und Ian haben sich ebenfalls auf deinen Besuch eingestellt.“ Er strich seiner jungen Frau liebevoll übers Haar.
      „Lass uns gehen, Thomas.“ Daisy gab sich einen Ruck. „Es hilft alles nichts. Wenn ich jetzt nicht gehe, dann gehe ich überhaupt nicht mehr.“ Sie griff nach einer der leichteren Taschen und half ihrem Mann, das restliche Gepäck nach draußen zu schaffen.
      Der Bahnhof war voller Menschen. Unangenehme Gerüche drangen an Daisys Nase. Am liebsten wäre sie geflüchtet. Sie spürte, wie ihr übel wurde.
       „Ich liebe dich, Darling, mehr als ich sagen kann“, flüsterte Thomas ihr ins Ohr und hielt sie so fest, als wollte er sie nie wieder los lassen. Er half ihr beim Einsteigen und suchte anhand des Fahrscheins das Abteil, für das er gebucht hatte.
       „Siehst du, Darling, du bist nicht einmal allein. Eine sympathische Frau und ein hübsches Mädchen werden dir Gesellschaft leisten.“ Er starrte einen Moment lang durch das Fenster der Abteiltür, dann schob er sie auf.
       Thomas grüßte freundlich und stellte seine Begleiterin und sich vor. Dann küsste er Daisy noch einmal innig. „Pass gut auf dich und auf unser Kind auf“, flüsterte er ihr ins Ohr. Dann verließ er eilig das Abteil.
       Daisy setzte sich auf einen freien Platz neben der Schiebetür und betrachtete ihre Mitreisenden interessiert aber unauffällig. Sie hätte sich gern mit den beiden Frauen unterhalten, doch da sie ein wenig schüchtern war wagte sie nicht, den Anfang zu machen.
       „Wie weit fahren Sie?“, fragte in dem Moment das junge Mädchen. „Übrigens, ich bin Alanis Barton und ich bin dreizehn Jahre alt.“ Alanis streckte Daisy die Hand hin. „Ich freu mich, dass wir noch eine Mitfahrerin bekommen haben“, fuhr sie fort ohne die Antwort der Fremden abzuwarten. „So eine Zugfahrt ist immer ziemlich langweilig.“
       Dem konnte Daisy nur zustimmen. „Ich fahre bis Glannagan, also fast Endstation. Dort besuche ich meinen Bruder und seine Familie.“
       „Nach Glannagan wollen wir auch“, rief Alanis begeistert aus. „Da werden wir bestimmt viel Spaß haben in den nächsten Stunden.“ Das Mädchen kuschelte sich in seine Fensterecke und lächelte zufrieden vor sich hin.
       „Sie stammen aus Glannagan?“, fragte Melanie interessiert. „Das trifft sich wirklich gut. Ich werde ab Mai eine Stelle in Glannagan antreten als Lehrerin einer kleinen Privatschule.“
       „Privatschule?“, wiederholte Daisy. Sie dachte einen Moment lang nach. „Die müsste sehr neu sein. Als ich vor etwas über zwei Jahren nach Glasgow gezogen bin gab es in Glannagan keine Privatschule. Meines Wissens war da überhaupt keine Schule. Es gibt zwei oder drei Privatlehrer, die von den Eltern dafür bezahlt werden, dass sie die Kinder unterrichten.“
       Melanie warf ihrer Schwester einen alarmierten Blick zu. „Ich habe einen Vertrag“, sagte sie leise.
       „Dann ist sicher alles in Ordnung. Vermutlich hat Ian mir nichts von einer neuen Schule erzählt, weil er es nicht für wichtig gehalten hat. Haben Sie schon eine Unterkunft?“ Daisy lächelte freundlich. „Ach ja, Sie haben natürlich eine.“ Die junge Frau war sichtlich verlegen. „Immerhin ist es bereits Nachmittag, wenn wir ankommen.“
       „Die Schulverwaltung hat uns eine kleine Wohnung gemietet, die fürs erste völlig ausreichend ist. Später können wir uns vielleicht was größeres suchen. Aber das werden wir sehen.“ Melanie betrachtete forschend das blasse Gesicht ihrer Mitreisenden. „Geht es Ihnen nicht gut?“
       Daisy lehnte sich zurück und schloss die Augen. „Ich bin Anfang des siebten Monats schwanger“, sagte sie leise und atmete tief ein. „In der letzten Zeit habe ich etwas Schwierigkeiten. Außerdem vermisse ich meinen Mann Thomas sehr. Er kann mich leider nicht begleiten.“
       Der Zug ruckelte etwas. Erschrocken richtete sich Alanis auf. Sie war für einen Moment eingeschlafen. „Was ist passiert?“, fragte sie und hatte Mühe, in die Gegenwart zurück zu finden. „Wo sind wir überhaupt?“
       Melanie lachte leise. „Noch mindestens neun Stunden von unserem Ziel entfernt“, antwortete sie und betrachtete die Schwester liebevoll.
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