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So schoen und kalt und tot

So schoen und kalt und tot

Titel: So schoen und kalt und tot
Autoren: Jane Withcomb
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ihren Verlust noch in keiner Weise verarbeitet.
       Mit gesenktem Kopf ging Lady Angela zum Castle zurück. Die ersten Regentropfen fielen vom Himmel. Sie konnte sie wie kleine spitze Nadelstiche auf ihrem Gesicht spüren, als sie das schützende Blätterdach des hinteren Parkabschnittes verlassen hatte. Um das alte Castle herum gab es nur zwei hohe alte Bäume, die den heftigen Herbststürmen hatten Stand halten können.
       Zögernd legte Angela ihre Hand auf die kalte eiserne Klinke. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt. Seit Leslies Geburt vor acht Monaten hatte sie sich nicht mehr richtig erholt. Die Schwangerschaft war schwer gewesen, und nicht nur einmal hatte es so ausgesehen, als würde sie die Zeit nicht überleben.
       Ein warmes Gefühl strömte zu Angelas Herz, als sie an den Augenblick dachte, da sie zum ersten Mal ihr winziges Töchterchen im Arm gehalten hatte. Schwach und zart war Leslie gewesen, und auch jetzt noch benötigte sie all die Liebe und Fürsorge ihrer schönen Mutter.
       Traurig betrat die Frau das alte Castle, dessen dicke kalte Mauern schon so viel Freude aber auch unermessliches Leid gesehen hatten. Mehr als zweihundert Jahre trutzte das Gemäuer schon jedem Sturm, jedem Streit, und sogar die Kämpfe, die früher mit den Nachbarn, den Stevensons ausgetragen wurden, hatte es überstanden.
       „Da bist du ja, Liebes.“ Ian McGregor, der Laird, kam aus seinem Arbeitszimmer. Ein glückliches Lächeln lag auf seinem Gesicht, als er seine Frau für einen kurzen Moment umarmte. „Ist etwas, das ich wissen sollte?“, fragte er vorsichtig und schaute ihr forschend ins Gesicht. Er wusste, dass Angela seit der Geburt ihrer Tochter ein wenig anders geworden war, stiller und oft in sich gekehrt und noch verletzlicher.
       „Benjamin macht mir Sorgen“, antwortete sie aus ihren Gedanken heraus. „Hast du schon einmal seinen... Seelengarten gesehen?“, fragte sie unvermittelt.
       „Seelengarten?“ Ian schüttelte den Kopf. Mit der linken Hand fuhr er sich etwas ratlos durch seine dichten dunklen Locken, die fast seine breiten Schultern erreichten und ihm das Aussehen eines schottischen Kriegers verliehen. „Davon höre ich zum ersten Mal. Was soll das denn sein?“
       „Keine Ahnung.“ Lady Angela schmiegte sich an ihren Mann. „Ich wollte ihn eben zum Essen herein holen, aber Benny hat angeblich keine Zeit. Erst will er noch Blumen setzen in seinem Seelengarten.“
       „Nimm das nicht so ernst, Darling. Benjamin wird bald zwölf, da ist man schon etwas durcheinander und kommt mit der veränderten Lebenssituation nicht so gut zurecht.“ Noch war Ian bereit, eine ganz einfache Erklärung für das Verhalten seines Sohnes zu finden.
       „Ich habe mir diesen Seelengarten einmal angesehen, das ist schon einige Wochen her. Da war Benjamin mit dir in Glannagan. Ich habe die Gelegenheit genützt und bin in den hinteren Teil des Parks gegangen. Als ich diesen Garten sah bin ich zu Tode erschrocken.“
       „Warum das denn, Liebes? Komm, setz dich, sonst brichst du mir noch zusammen.“ Ian führte seine Frau zu einem bequemen Sessel. „Was ist denn so Schlimmes daran, wenn unser Sohn sich als leidenschaftlicher Gärtner betätigt?“
       „Man merkt, dass du sehr viel Arbeit hast, Darling“, bemerkte Angela ein wenig ärgerlich. „Vielleicht solltest du hin und wieder deinen Besitz in Augenschein nehmen, damit du weißt, was auch in den hintersten Winkeln vor sich geht.“
       „Du bist etwas überreizt, mein Herz.“ Ian legte von hinten seine Arme um den Hals seiner Frau und schmiegte seine Wange an die ihre. „Ich bin dem Schicksal unendlich dankbar, das uns zusammen geführt hat. Was wäre ich ohne dich? Du darfst mich niemals verlassen, Angela.“ Er küsste zärtlich ihren Hals.
       „Ach Ian, es geht nicht um mich. Benjamin macht mir Sorgen. Wir haben ihn von einem Privatlehrer unterrichten lassen, doch es hat nicht funktioniert. Die beiden Erzieherinnen hat er auch in kürzester Zeit weggeekelt. So kann es nicht weiter gehen.“ Die Frau seufzte traurig auf.
       „Wir haben doch bereits dafür gesorgt, dass unser Sohn endlich Ordnung lernt. In zwei Wochen ist hoffentlich die Erzieherin aus London hier. Du weißt doch, dass ich Theresa Mansfield engagiert habe. Sie hat die besten Zeugnisse, und ich bin sicher, Benjamin wird sie als Autoritätsperson akzeptieren.“
       „Deine Worte klingen wundervoll, Ian“, gestand Angela traurig.
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