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So nah am Leben

So nah am Leben

Titel: So nah am Leben
Autoren: Inaqiawa
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Hinweis, daß hier Zimmer vermietet werden. Ihr fällt auch auf, daß auf jedem der Hinweise vermerkt ist, daß die Zimmer bereits alle ausgebucht sind. Sie gelangen ins Zentrum des kleinen Ortes, und die beiden führen sie geradewegs zur Pilgerinformation. Dort bekommen sie ihren Pilgerausweis, und dann geht Samantha, ohne nachzudenken, einem kleinen Menschenpulk hinterher.
    Heute abend kann sie es sich nicht leisten, wählerisch zu sein, der Ort ist komplett ausgebucht.

    Sie landet in einer Jugendherberge. Etwas verwirrt läuft sie durch die Räume, auf der Suche nach einem freien Bett. Aber je länger sie sucht, desto rarer werden die freien Betten. Na klar, so läuft das ja auch nicht. Alle, die nach ihr eintrafen, haben sich das erstbeste freie Bett geschnappt, ihre Sachen darauf ausgebreitet und gut ist. Als sie endlich spannt, wie es läuft, gibt es nur noch ein einziges freies Bett in einem Zimmer mit fünf Männern. Na toll.

    Sie spricht eine Frau auf englisch an und erzählt ihre Not. Die Frau zuckt nur mit den Schultern, und Samantha rennt noch einmal durch alle Zimmer, in der Hoffnung, doch ein freies Bett übersehen zu haben. Vergeblich. Das Rumgerenne ruft eine andere Frau auf den Plan. Sie sagt ihr, daß sie mit ihrem Freund ein Doppelzimmer habe und der würde jetzt in das Zimmer mit den Männern gehen, dann könne sie mit ihr in diesem Raum schlafen.
    Samantha schaut sich um und dankt im stillen ihrem Schutzengel — das ist ja noch mal gut gegangen. Dieses Geschenk hat sie nicht ihrer Cleverness zu verdanken, sondern der Umsicht und Achtsamkeit einer fremden Frau. Dieses Zeichen stimmt sie versöhnlich mit dem ganzen Tag.

    Inzwischen ist es dreiundzwanzig Uhr. Samantha ist nun seit sechzehn Stunden unterwegs mit Bus, Bahn und Flugzeug — sie will nur noch ins Bett. In Ermangelung eines Schlafsackes legt sie sich komplett angezogen aufs Bett und bedeckt sich mit ihrem großen Tuch. Kurz bevor sie einschläft, geht ihr noch durch den Kopf, daß dieser Tag nicht wirklich einem Abenteuer glich. Er war anstrengend, voller Unwegsamkeiten und wenig spektakulär. Dann schläft sie ein. Aber nur für eine kurze Zeit. Nach zwei Stunden liegt sie schon wieder wach in ihrem Bett und wartet auf den Morgen.

Glaube

    Der Glaube
    steht vor dem Wissen,
    gepaart mit Vertrauen und Zweifel
    ist er gekoppelt an die Hoffnung.

    Es ist halb sechs, und die ersten vorsichtigen Geräusche der Pilger sind zu hören. Samantha sinnt darüber nach, wie sie diese erste Nacht ohne Schlafsack und Decke hinter sich gebracht hat. Sie ist so durchgefroren! Die Räume liegen noch im Dunkeln, und sie vernimmt das Gurgeln derer, die sich in diesem Dunkel an ihre Zähne herantasten. Hier sind die Waschräume nicht nach Männlein und Weiblein getrennt, es gibt nicht einmal trennende Türen zwischen Schlaf- und Waschräumen — Pilger sind für Offenheit.

    Jetzt muß sie sich entscheiden: Soll sie sich zu Fuß über die Pyrenäen wagen oder soll sie, wie zu Hause angedacht, lieber öffentliche Wege und Verkehrsmittel für diese erste, schwere Etappe nehmen?
    Draußen ist es immer noch dunkel, als sie aus der Tür tritt. Die volle Mondin begrüßt sie majestätisch und zaubert aus dem vor ihr liegenden Tal ein bizarres Schattenspiel. Was für ein Ausblick am Anbeginn des Tages!

    Sie spürt in sich hinein und fühlt ein Kribbeln, von den Zehenspitzen bis in die Haarwurzel. Sie ist aufgeregt, denn heute soll es nach wochenlanger Planung endlich losgehen. „Öffentliche Verkehrsmittel“, geht es ihr wieder durch den Kopf. Das ist doch keine Sightseeingtour. Nein, sie ist heiß darauf, ihre Füße auszuprobieren. Was können sie noch, außer Gas geben und bremsen?

    Sie kann nicht wirklich denken — ihr ist auch nicht nach Denken — sie will erleben, und so steht sie mit ihrem Rucksack vor der Tür und hat sich entschieden. Los geht’s — sofort, denn mit dem vollen Mond und ihrer Stirnlampe ist sie für den Weg gut gerüstet, oder? Da fällt ihr ein, daß sie unbedingt noch Brot für den Weg braucht.
    Gestern sah sie, wie bei einigen die Baguettestange aus dem Rucksack herausragte. Im Gegensatz zu ihr schienen die hier alle Profis zu sein. Daran möchte sie sich ein Beispiel nehmen und schlägt nicht den Weg in die Berge ein, sondern läuft zurück ins Dorf zum nächsten Bäcker.
    Zu früh, der macht erst in einer Stunde auf. Soll sie warten? Sie entschließt sich zu warten, weil sie überhaupt keine Vorstellung davon hat, was sie
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