Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So fern wie ein Traum

So fern wie ein Traum

Titel: So fern wie ein Traum
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
Wunden goss. »Ich will mich betrinken«, jammerte er wie ein kleines Kind.
    »Das kannst du gerne tun«, sagte sie in leichtem Ton. »Aber ein Mann, der sich auch von einem Erdbeben nicht davon abhalten lässt, zu der Frau zu kommen, die er liebt, sollte tapfer genug sein, ihr nüchtern entgegenzutreten, denke ich. Am besten verbinde ich dir diese Wunden ebenfalls. Tja, aber das machen wir erst, wenn ich auch den Rest gesehen habe. Zieh die Hose aus.«
    »Um Himmels willen, ich werde sicher nicht – verdammt!« Wieder zog sie ihn am Ohr. »Schon gut, schon gut, wenn Sie mich unbedingt nackt sehen wollen, bitte sehr.«
    Er stand mühsam auf, öffnete den Knopf seiner zerfetzten Jeans und streifte sie langsam und vorsichtig ab. »Ich wäre ins Krankenhaus gefahren, wenn ich gewusst hätte, was mir stattdessen blüht.«
    »Dieser Schnitt an deinem Oberschenkel müsste eigentlich genäht werden, aber ich werde tun, was ich kann.«
    Übellaunig setzte er sich wieder hin, aber den Schwenker schob er fort. Inzwischen hatte er kein Bedürfnis mehr nach Alkohol. »Geht es ihr gut?«
    Ohne dass er es sah, lächelte Ann. »Sie hat Schmerzen, und zwar nicht nur körperlicher Art. Sie braucht dich.«
    »Tut sie nicht. Ich wäre der Letzte, den sie braucht. Sie wissen, was ich bin.«
    Jetzt hob sie den Kopf und sah ihn eindringlich an. »Ja, ich weiß es«, sagte sie. »Aber, Michael Fury, weißt du es auch selbst?«
    Er wurde von den Bildern in seinem Kopf wie von Zahnschmerzen geplagt. Wie sollte er sich auf das konzentrieren, was er tun musste, wenn er sie immer wieder kreidebleich und reglos auf dem Felsen liegen sah? Oder aber, Tränen der Wut und der Verletztheit in den Augen, als sie sich in seiner Tür herumgedreht und ihm gesagt hatte, sie liebe ihn.
    Ablenkung nützte ihm nichts. Ann hatte ihm befohlen, seinen Hintern hochzukriegen und die Wohnung aufzuräumen, also hatte Michael, wenn auch widerwillig, aufgeräumt. Er hatte seine Pferde beruhigt, das Zaumzeug aufgehängt, wieder abgenommen und entschieden eingepackt.
    Er bliebe sowieso nicht hier.
    Schließlich gab er auf und ging über den Rasen in Richtung Herrenhaus. Es war nur vernünftig, oder etwa nicht? stritt er mit sich herum. Es war nur vernünftig, dass er nach ihr sah. Sicher gehörte sie ins Krankenhaus. Ihre Familie würde sie nicht dazu zwingen, denn es war offensichtlich, dass Laura Templeton sich nie zu etwas zwingen ließ.
    Er würde nur kurz nach ihr sehen, und dann träfe er die nötigen Vorkehrungen, um seine Pferde anderswo unterzustellen, ehe er selbst für alle Zeit verschwand.
    Als er durch den Garten ging, kamen Kayla und Ali von der Terrasse, wo sie mit Murmeln gespielt hatten. Sein erster Gedanke war Verwunderung, dass Kinder immer noch mit einfachen Murmeln spielten. Dann warfen sie sich ihm voller Freude in den Arm.
    »Sie haben Mama vor dem Erdbeben gerettet.« Kayla schmiegte sich dankbar an ihn an, was seine frischen Wunden pochen ließ.
    »Nicht ganz«, setzte er an. »Ich habe nur…«
    »Sie haben Sie gerettet«, unterbrach Ali ihn in ernstem Ton. »Das sagt die ganze Familie.« Die Heldenrolle gefiel ihm nicht, und er wollte gerade mit den Schultern zucken, als sie seine Hand ergriff und ihn sorgenvoll betrachtete. »Sie haben gesagt, sie wäre bald wieder gesund. Sie haben alle gesagt, sie wäre bald wieder gesund. Ist das auch wirklich wahr?«
    Weshalb fragte sie ausgerechnet ihn? Verdammt, weshalb betrachtete sie ihn als Autorität? Trotzdem hockte er sich, als er das Zittern ihrer Unterlippe sah, beruhigend neben sie. »Aber sicher doch. Sie hat nur ein paar blaue Flecke abgekriegt, mehr nicht.«
    »Wenn Sie es sagen.« Ali sah ihn mit einem hoffnungsvollen Lächeln an.
    »Sie ist von den Klippen gefallen«, mischte sich wieder Kayla aufgeregt in das Gespräch. »Und hat Seraphinas Mitgift gefunden, und dabei wurde sie verletzt, aber Sie und Max sind gekommen und haben Sie wieder hochgezogen. Mrs. Williamson hat gesagt, dafür hätte Max ein ganzes Büschel Karotten aus dem Garten verdient.«
    Er fuhr ihr durch das Haar und sah sie grinsend an. »Und was bekomme ich?«
    »Sie hat gesagt, Sie hätten Ihre Belohnung schon gekriegt. Was haben Sie gekriegt?«
    »Das verrate ich dir nicht.«
    »Sie haben sich auch verletzt. Tut es sehr weh? Meinen Sie, das hilft?« Mit ernster Miene hob Kayla seine bandagierten Hände einzeln hoch und küsste sie.
    Ihm war, als sei er in einen Bienenschwarm geraten, dessen Stiche einen süßen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher