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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition)
Autoren: Julian Fellowes
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Grund auf verstehen gelernt. Er wusste, dass sie ein Parvenü war, genau wie ihre Eltern. Er sah das Gewöhnliche in ihrem Denken nun genauso klar wie ihre großartigen Eigenschaften, die er trotz Lady
Uckfields Bemerkungen immer noch für zahlreich hielt. Er wusste auch, wenn er ihr nun entgegenkäme, wäre die Sache entschieden.
    Er betrachtete die zusammengesunkene Gestalt, die sich an den Heizstäben zu wärmen versuchte. Ihr kamelfarbener Mantel sah irgendwie billig aus. War dieses traurige kleine Wesen, diese »blonde Tussi«, wie seine Mutter zu sagen pflegte, die nächste Marchioness von Uckfield? Die von irgendeinem unbedeutenden Pralinenschachtel-Porträtmaler gemalt werden und dann neben den Sargeants, Laszlos und Birleys der vorangehenden Generationen hängen würde? Besaß sie das Format dazu?
    Doch als er sie ansah, kam sie ihm mit ihrem Make-up und ihrem Kaufhausmantel plötzlich furchtbar verletzlich vor, wie sie ihn zu bezaubern versuchte und stattdessen irgendwie kläglich wirkte, und er wurde von Mitleid überwältigt, dem die Liebe auf dem Fuße folgte. Egal, wie es um ihre Befähigung, um die Begrenztheit ihrer Gefühle, um ihre Motive stand, er, Charles Broughton, konnte nicht verantworten, dass sie unglücklich war. Kurz, er war unfähig, sie zu verletzen.
    »Bist du glücklich?«, fragte er langsam in dem Wissen, dass er ihr mit diesen Worten erlaubte, zu ihm und in sein Leben zurückzukehren.
    Und als Edith seine Frage hörte, wusste sie, dass er ihr verziehen hatte. Trotz aller bevorstehenden Schwierigkeiten mit Simon, mit ihrer Schwiegermutter, mit den Zeitungen, mit allem und jedem könnte sie jetzt wieder Charles’ Frau sein, wenn sie wollte – und natürlich wollte sie, angesichts aller Umstände keine große Überraschung. Einen Moment lang war ihr fast schlecht vor Erleichterung, doch sie wollte nicht zu verzweifelt erscheinen und wartete eine Minute mit ihrer Antwort, unterstrich diesen Moment mit einer bedeutungsschwangeren Pause. Als zu ihrer Befriedigung feststand, dass sie beide ihre Antwort im Voraus kannten, hob sie bedächtig ihre in Tränen schwimmenden Augen, bis sich ihre Blicke trafen.
    »Nein«, sagte sie.

Epilog
Smorzando
    Soweit ich mich erinnere, wurde kein größeres Getuschel laut, als Edith etwa sieben Monate nach der Versöhnung von einer Tochter entbunden wurde. Natürlich wurde viel darüber geredet, am lautesten von Ediths Mutter, wie alle von der »beängstigend frühen« Geburt überrumpelt worden seien. Mrs. Lavery tat des Guten fast zu viel, als sie darauf bestand, wegen der »Risiken einer Frühgeburt« die ganze Nacht in der Klinik zu sitzen, worüber dann in den Abendgesellschaften witzige Anekdoten kursierten, was aber niemanden weiter störte. Es ist fast rührend, dass in solchen Fällen in der vornehmen Gesellschaft immer noch solcher Mumpitz aus der Mottenkiste gekramt wird. Doch ist dies mehr Ritual als Unwahrheit, ein Ritual, das keinen Schaden anrichtet. Das Einzige, was wirklich zählte, war das weibliche Geschlecht des Kindes, wodurch sich die Lage für die Zukunft entspannte. So konnte man ohne bitteren Nachgeschmack zur Tagesordnung zurückkehren.
    Sogar Lady Uckfield, die sonst immer so auf der Hut war, verriet sich in einem unachtsamen Moment, als ich sie anrief, um mehr über das Ereignis zu erfahren.
    »Junge oder Mädchen?«, fragte ich, als sie abhob.
    »Mädchen«, sagte Lady Uckfield. »Ist das nicht eine Erleichterung?« Schnell, aber nicht schnell genug fügte sie hinzu: »Dass Mutter und Kind wohlauf sind.«
    »Eine große Erleichterung!« Ich spielte bei dieser Unaufrichtigkeit gern mit. Dass Lady Uckfield die tief verwurzelten Ansichten ihres Standes teilte, konnte man ihr kaum vorwerfen. Das Baby stellte nun
keine Gefahr mehr dar und man konnte in Frieden mit ihm leben, da es die Pracht Broughtons nicht erben konnte – dank der obskuren Gesetze, die die Erbfolge des Adels regeln und die nicht einmal Mr. Blair trotz allen Tamtams um die Rechte der Frauen als reformbedürftig betrachtete. Da alle drei »Eltern« blond waren, bestand kaum die Möglichkeit, dass das Kind die falsche Haarfarbe hätte, und zumindest bisher schlägt das Mädchen anscheinend kaum Simon nach, wenn man davon ausgeht, dass er der Vater ist – eine Annahme, derer man schließlich nie ganz sicher sein kann. Außer man ließe einen Gentest machen, was keiner der im Debrett’s neu Aufgenommenen je riskieren würde, aus Angst vor dem Ergebnis. Eine mit
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