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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition)
Autoren: Julian Fellowes
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brechen begeistert auf, man hat ihnen erzählt, sie könnten eine Menge Arbeit bekommen, wenn sie durchhalten, sie verkünden allen, wie fantastisch es dort sei, sie geben ihr ganzes Geld aus – und kehren dann zurück. Das Ganze nimmt zwischen zwei und sechs Jahre in Anspruch. Doch es gibt immer Ausnahmen, und es würde mich nicht überraschen, wenn Simon dazu gehörte. Er schien sämtliche Eigenschaften zu besitzen, die man in Los Angeles bewundert, und keine, die man dort nicht schätzt.
    Vielleicht weil Simon wusste, dass wir uns längere Zeit nicht mehr sehen würden, fragte er nach Edith. Ich brummte, es ginge ihr gut, und er nickte. »Das freut mich.«
    »Gut.«
    Er sah mich kopfschüttelnd an und zog die Augenbrauen hoch. »Ich weiß auch nicht – diese Weiber!«, sagte er.
    Ich nickte, lachte ihm solidarisch zu und wir trennten uns in aller Freundschaft. Aus dieser Reaktion lässt sich wohl die Tiefe seines Kummers ablesen. Ich glaube nicht, dass Charles je in dieser Sitcom-Manier kopfschüttelnd zu einem Bekannten gesagt hätte: »Diese Weiber!
«, wenn Edith nicht zu ihm zurückgekehrt wäre. Er hätte sich vielmehr irgendwo im Dunkeln verkrochen und ihren Namen nie wieder erwähnt, und so müssen wir wohl alle einräumen, dass Edith am Ende mit dem Mann zusammen war, der sie am meisten liebte. Dennoch lag nichts Gehässiges in Simons Blick und ich meine, man sollte wenigstens im Gedächtnis behalten, dass er im Grunde kein böswilliger Mensch war. Und das ist sicher kein so schlechtes Zeugnis.
    Auch habe ich Edith nie verraten, wie angestrengt die Eastons oder vielmehr David sich die Gunst der Broughtons zu erhalten suchten, nötigenfalls auf ihre Kosten. Allmählich wurde auch diese ein wenig mühsame Beziehung wieder aufgenommen. Alles in allem kehrte die Normalität überraschend schnell zurück. Sogar die Zeitungen beschränkten sich auf zwei hämische Glossen – im Standard , wie ich mich vage erinnere, und einem Blatt der Regenbogenpresse –, dann war alles vorüber.
    Nur ein einziges Mal schnitt Edith das Thema an, vielleicht weil ich es nie tat. Drei oder vier Jahre nach ihrer Rückkehr in den Schoß der Familie spazierten wir an einem sommerlichen Sonntag im Garten umher und fanden uns in der Nähe des Rosengartens, wo sich das Drehteam einst niedergelassen hatte. Die anderen spielten Croquet, und als wir den Weg entlangschlenderten, wehten die Geräusche abgeschlagener Bälle und aufsteigenden Ärgers leise zu uns herüber. Plötzlich hatte ich das Bild von Simon Russell in seinem Rüschenhemd vor Augen, wie er an jenem fernen Tag in seiner ganzen Schönheit auf dem Gras hingestreckt lag und mit einer jüngeren, törichteren Edith plauderte. Ich sagte natürlich nichts und blickte überrascht hoch, als ihre Worte meine Fantasien aufgriffen.
    »Siehst du ihn noch?«, fragte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaube, niemand sieht ihn. Er ist nach Kalifornien gegangen.«
    »Zum Film?«
    »Das war jedenfalls seine Absicht. Oder wenigstens wollte er Fernsehserien machen.«
    »Und hat er’s geschafft?«
    »Noch nicht, aber man weiß ja nie.«
    »Und seine Frau?«
    »Ist mitgegangen.«
    Edith nickte. Wir schlenderten in den Rosengarten. Einige stark duftende, dunkelrote Blüten, vielleicht Papa Meilland, tränkten die warme Luft mit ihrer penetranten Süße.
    »Wirst du mich nie fragen, ob ich glücklich bin?«, fragte Edith und warf herausfordernd den Kopf zurück.
    »Nein.«
    »Na, dann sag ich es dir trotzdem.« Sie brach eine halb aufgeblühte Knospe ab und fädelte sie mir durchs oberste Knopfloch meines Hemds. »Ich bin tatsächlich einigermaßen glücklich.«
    Ich hinterfragte diese Behauptung nicht. Es freute mich, dass sie einigermaßen glücklich war und ist. Damit ist sie erheblich glücklicher als ein Großteil der Personen in meinem Adressbuch.

Julian Fellowes
    wurde 1949 in Ägypten geboren, wuchs in England auf und studierte in Cambridge. Er ist preisgekrönter Autor von Romanen und Drehbüchern, für »Gosford Park« wurde er mit einem Oscar ausgezeichnet. Mit »Downton Abbey« hat er eine der erfolgreichsten Serien der letzten Jahre geschaffen. Die Idee und der Großteil der Drehbücher sind von ihm. Julian Fellowes lebt mit seiner Familie im Südwesten der englischen Grafschaft Dorset.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

Die Originalausgabe erschien 2004 unter dem Titel
»Snobs«
bei Weidenfeld & Nicolson, London.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
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