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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition)
Autoren: Julian Fellowes
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den Verhältnissen nicht vertraute Besucherin in Broughton, die auch die weise alte Maxime nicht kannte, »nie eine Bemerkung über die Familienähnlichkeit anderer Leute Kinder zu machen«, fragte mich, ob ich nicht auch fände, dass die Kleine ganz der Papa wäre.
    Vielleicht habe ich mir den kurzen Eishauch im Raum nur eingebildet, doch ich nickte. »Da stimme ich Ihnen zu«, sagte ich. »Sie sieht Edith überhaupt nicht ähnlich.« Mit dieser Antwort erntete ich einen besonders warmherzigen Blick meiner Gastgeberin. Amüsanterweise schien die Kleine, wenn ich sie mir richtig ansah, Charles wirklich ein wenig zu ähneln. Dies kann aber auch am Ausdruck liegen und nicht an den Gesichtszügen selbst. Man mag es seltsam finden, doch in späteren Jahren wurde Charles’ Zuneigung zu dem Mädchen so groß, dass seine jüngeren Kinder sich beklagten, er würde die Älteste vorziehen. Noch mehr entbehrte es der Logik, dass sie sich zur Lieblingsenkelin Lady Uckfields entwickelte, was wieder einmal die Wahrheit des alten Spruchs bezeugt, dass es nichts Merkwürdigeres gibt als die Menschen. Edith jedenfalls brachte kaum vierzehn Monate später ein weiteres Kind zur Welt, diesmal einen Jungen. Der neue Viscount Nutley wurde in Sussex und Norfolk mit Freudenfeuern und rauschenden Festen gefeiert, und offen gestanden ließ nun, um es ganz ungeschönt und altmodisch auszudrücken, die Frage nach der exakten Vaterschaft der kleinen Lady Anne auch den Letzten völlig kalt.
    Caroline ließ sich tatsächlich von Eric scheiden. Die Sache ging ruhig über die Bühne, mit weniger Bitterkeit und mehr Stil, als ich es Eric zugetraut hätte. Er blieb nicht lange allein. Nach achtzehn Monaten heiratete er die Tochter eines steinreichen Industriellen aus Cheshire, Christine XY. Die beiden passten viel besser zusammen als er und Caroline. Sie teilte schon einmal Erics ehrgeizige Pläne, die sie so hartnäckig verfolgte, als wären es ihre eigenen, was sie natürlich auch bald wurden. Einige Monate nach ihrer Hochzeit traf ich sie zufällig in Ascot und ich muss sagen, sie gefiel mir. Sie war ein Energiebündel und in vieler Hinsicht viel umgänglicher als Caroline, auch wenn Erics unsinnige Einstellungen schon auf sie abgefärbt hatten. Ich erinnere mich, dass sie die Wendung »Leute unseresgleichen« benutzte und damit wohl irgendeinen exklusiven gesellschaftlichen Kreis meinte, dem sie angehörten. Dies muss Eric als wahre Wohltat empfunden haben, nachdem er in seiner ganzen ersten Ehe täglich an einen inneren Zirkel erinnert worden war, der ihm für immer verschlossen blieb.
    Er knurrte mich böse an zum Zeichen, dass er mich erkannt hatte, doch ich fühlte mich dadurch nicht gekränkt. Ich hatte Eric seine früheren Unhöflichkeiten längst verziehen, und außerdem besteht eine der Freiheiten des Älterwerdens darin, dass man jemanden nicht mehr zwangsweise unsympathisch finden muss, nur weil er einen nicht mag. Dazu hatte er schließlich jedes Recht. Lady Uckfield hatte kein Geheimnis daraus gemacht, wie wenig sie seine Gesellschaft schätzte, und hatte zuweilen mich benutzt – auf eine etwas süffisante Weise, wie ich vermute –, um ihm dies vor Augen zu führen.
    »Sie sehen sie wohl noch alle?«, fragte er, als seine Frau mit ihren Auslassungen über ihre neue Poggenpohl-Küche fertig war.
    Ich nickte. »Wir haben Nachwuchs bekommen, deshalb sind die Besuche dort nicht mehr so häufig wie früher. Aber ich sehe sie.«
    »Und ist Edith glücklich bei ihrer Arbeit?« Seine Gereiztheit angesichts einer Person, die dort überlebt hatte, wo er gescheitert war, war nur zu verständlich.
    »Ich denke, ja.«
    »Darauf würde ich wetten. Und wie geht’s der reizenden ›Googie‹?« Er spuckte den Namen genauso aus, wie ich ihn vor Ediths Rückkehr in den Schoß der Familie aus ihrem Mund gehört hatte. Jetzt konnte sie ihn wieder normal aussprechen. »Ich frage mich, was meine liebe Exschwiegermutter von den jüngsten Entwicklungen hält.«
    »Ach, ich würde sagen, sie war im Großen und Ganzen ziemlich guter Dinge«, sagte ich, als würde ich ernsthaft glauben, dass er daran Anteil nahm. Wir nickten einander zu und gingen weiter.
    Während ich davonschlenderte, um mich mit Adela und Louisa im Bereich der königlichen Tribüne zum Tee zu treffen, ging ich noch einmal meine Antworten durch und kam zum Schluss, dass ich lediglich die Wahrheit gesagt hatte. Natürlich hatten die Kinder, wie von jedem prophezeit, alles verändert. Mit
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