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Snap - Im Haus des Bösen

Snap - Im Haus des Bösen

Titel: Snap - Im Haus des Bösen
Autoren: Douglas Preston , Lincoln Child
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Kupfertopf auf der Veranda des alten Dufour legen. Er hatte große Angst, dass, wenn er’s nicht täte, Dufour ihn in der Nacht abholen würde. Denn der Alte musste ja seinen Anteil bekommen.«
    Pendergast hielt inne. Inzwischen stand ein ernster, ja schmerzlicher Ausdruck in seinem Gesicht.
    »Ich war Diogenes ein schrecklicher älterer Bruder. Ich habe ihn wegen seiner Angst verhöhnt. Habe sie verachtet. Wenn man schon an die Zahnfee glaubte, dann sollte man, fand ich, wenigstens an die traditionelle Legende glauben, nicht an irgendeine lächerliche Geschichte, die sich Hausangestellte hinter vorgehaltener Hand über einen jämmerlichen Alten in der Nachbarschaft zuflüsterten. Es ärgerte mich, dass mein eigener Bruder, ein Pendergast, einer derart schwachsinnigen Vorstellung zum Opfer gefallen war. Ich wollte das einfach nicht zulassen.
    Also habe ich mit ihm gestritten. Ich habe ihm gesagt, dass er den Zahn nicht zu Dufours Haus bringen dürfe, sondern tun solle, was normale Kinder in seinem Alter täten, und den Zahn unter sein Kopfkissen legen. Notfalls würde ich ihn dazu zwingen. Ich habe die Legende verunglimpft, sie verspottet und gesagt, dass jemand, der mein Bruder sein will, auf so einen Humbug nicht hereinfallen dürfe. Aber Diogenes war starrköpfig, und während ich meine hitzigen Einwände vorbrachte, entwand er mir den Zahn. Wieder rauften wir darum, aber diesmal riss er sich von mir los und rannte zum Hintereingang hinaus … und hinein in die dunkle Nacht.
    Ich lief hinter ihm her, konnte ihn jedoch nicht finden – schon damals besaß er erstaunliches Geschick im Verstecken. Ich streifte durch die Nachbarschaft und wurde dabei immer wütender. Schließlich, als ich ihn nicht ausfindig machen konnte, tat ich das Nächstbeste: Ich bin zur Montegut Street gegangen, zur Dufour-Villa, habe mich zwischen den wuchernden, halb abgestorbenen Palmettopalmen versteckt, die im verlassenen Vordergarten vor der Veranda wuchsen, und auf das Eintreffen meines Bruders gewartet.
    Es war, wie ich mich erinnere, eine stürmische Nacht. Während ich wartete, frischte der Wind auf, in der Ferne war leises Donnergrollen zu hören. Im Haus, hoch oben im Erkerfenster, brannte eine einzelne trübe Lampe, die kaum Licht spendete. Etliche der Straßenlaternen in der Nähe waren kaputt. Der Vollmond stand auf der anderen Seite der Villa, so dass die Veranda im Dunkeln lag. Ausgeschlossen, dass Diogenes mich entdeckte. Und so wartete ich dort. Es schien, als wartete auch das alte Dufour-Haus. Obgleich ich den törichten Aberglauben meines Bruders verachtete, wurde mir, während die Minuten verstrichen, doch ausgesprochen unbehaglich zumute, als ich mich dort im Schatten dieses verfallenen alten Kastens versteckte. Ich spürte etwas, eine Präsenz, die sich wie ein Gifthauch um die Villa zusammenzog. Zudem war die schwüle Wärme in dem Dickicht absterbender Palmettopalmen unerträglich, und das Haus schien einen Geruch zu verströmen, einen widerwärtigen Gestank, der mich an die tote Katze erinnerte, die ich einige Monate zuvor in einem dunklen Winkel unseres Gartens gefunden hatte.
    Um half elf tauchte Diogenes endlich auf. Leise schlich er aus den Schatten auf der anderen Seite des Hauses, um seinen Zahn zu hinterlegen. Verstohlen schaute er in beide Richtungen. Ich sah sein blasses, ängstliches Gesicht in der Dunkelheit. Dann richtete er den Blick auf die Gruppe Palmen, in denen ich mich versteckt hielt. Eine Sekunde lang fürchtete ich, entdeckt worden zu sein. Aber nein, Diogenes schlich sich an die alte Villa heran, blickte sich erneut um, und dann stahl er sich unendlich vorsichtig die Stufen hinauf und ließ den Zahn in die dort stehende alte Speischale fallen. Ich hörte das leise Klimpern, als der Zahn in der kleinen Kupferschale umherrollte. Dann drehte sich Diogenes um, schlich die Stufen hinunter und ging die Straße entlang, wobei seine kleinen Schritte kaum zu hören waren. Fast augenblicklich war es wieder still. Noch heute, wenn ich zurückblicke, wundere ich mich, dass ein so junger Mensch in der Lage war, sich dermaßen verstohlen zu bewegen. Im späteren Leben hat Diogenes dieses Talent dann ins Unermessliche gesteigert.
    Ich wartete zehn Minuten, dann fünfzehn. Ich hatte Angst, die Verandatreppe hochzugehen. Und ich machte mir Sorgen, Diogenes, der ein von Natur aus misstrauisches Wesen hatte, könnte zurückgekommen sein und sich in der Nähe versteckt halten, um nachzuschauen, ob ich mich hier
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