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Snap - Im Haus des Bösen

Snap - Im Haus des Bösen

Titel: Snap - Im Haus des Bösen
Autoren: Douglas Preston , Lincoln Child
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Wort. Sein Blick ging in weite Ferne. Constance wartete geduldig. Schließlich seufzte Pendergast und begann zu erzählen.
    »Du kennst doch die Kinderfabel von der Zahnfee?«
    »Selbstverständlich. Als ich klein war, haben meine Eltern mir im Austausch für einen ausgefallenen Milchzahn einen Penny unter das Kopfkissen gelegt – das heißt, wenn sie einmal Geld hatten.«
    »Also gut. Im Französischen Viertel in New Orleans, wo ich einen großen Teil meiner Kindheit verbracht habe, kannten wir diese sonderbare Legende auch. Nur haben wir uns eine zusätzliche oder vielmehr Parallel-Legende erzählt, die damit verbunden war.«
    »Wieso parallel?«
    »Einige der kleinen Kinder in unserer Nachbarschaft glaubten an das übliche Märchen, wie du es gerade eben beschrieben hast. Aber die Mehrheit glaubte etwas ganz anderes – nämlich dass die Zahnfee keinesfalls ein Fabelwesen sei, das nachts in die Häuser komme. Nein, die Zahnfee des Französischen Viertels lebte ganz in der Nähe und sie war niemand anders als ein Mann, den wir alle den alten Dufour nannten.«
    »Dufour … ein französischer Name: ›vom Ofen‹. Die Entsprechung im Englischen wäre wohl ›Baker‹.«
    »Sein vollständiger Name lautete Maurus Dufour. Er war ein uralter Einsiedler schwer bestimmbaren Alters, der in einer heruntergekommenen Villa ein paar Häuserblocks entfernt wohnte, in der Montegut Street. Er war wohl in fünfzig Jahren kein einziges Mal aus dem Haus gegangen. Ich habe keine Ahnung, wie es ihm gelungen ist, sich zu ernähren. Als Kinder haben wir nachts manchmal seinen gebeugten Schatten gesehen, wie er sich hinter den schwach beleuchteten Fenstern seines Domizils bewegte. Natürlich haben sich die Kinder aus der Nachbarschaft allerlei wilde Schauermärchen über ihn erzählt – dass er ein Axtmörder sei, Menschenfleisch esse, kleine Tiere quäle. Manchmal sind die älteren Rabauken nachts zu dem Haus gegangen und haben ein, zwei Steine in seine Fenster geworfen, bevor sie wegrannten – aber weiter war es sogar mit ihrer Courage nicht her. Niemand hätte jemals den Mut aufgebracht, beim alten Dufour zu klingeln.« Pendergast machte eine Pause. »Es handelte sich um eine der alten, im kreolischen Stil erbauten Villen, jedoch mit einem Mansardendach und Erkerfenstern. Ein fürchterlicher Kasten, die meisten Fenster waren zerbrochen, die Dachschindeln locker, die Veranda stand kurz davor abzufallen, der Vordergarten war mit absterbenden Palmettopalmen überwuchert.«
    Constance beugte sich vor. In ihr Gesicht trat ein Ausdruck wachsenden Interesses.
    »Wie diese besondere Zahnfee-Legende in die Welt gekommen ist, wusste kein Mensch. Ich kann dir nur sagen, dass es sie so lange gab, wie wir Kinder uns erinnern konnten. Und weil Dufour ein Einsiedler und auch ein Kinderschreck war, konnte ihn niemand fragen, was
er
womöglich über den Ursprung der Legende wusste – oder von einem solch absurden Märchen hielt. Du weißt ja, wie es ist, Constance: Diese Geschichten entstehen manchmal ganz plötzlich unter Kindern und entwickeln ein Art Eigenleben, werden von einer Generation zur nächsten weitergereicht. Was insbesondere auf einen Ort wie das Französische Viertel zutrifft, das – obwohl es mitten in einer Großstadt liegt – extrem isoliert und provinziell war. In den alten Familien wurde immer noch Französisch gesprochen, und viele Einwohner verstanden sich nicht einmal als Amerikaner. In vielerlei Hinsicht war das Viertel von der Außenwelt abgeschnitten, so dass der kreolische Aberglaube sowie andere seltsame Weltanschauungen – von denen viele sehr alt waren – gedeihen, sich ausbreiten und schwären konnten.« Pendergast deutete zum leeren Durchgang in die Bibliothek. »Nimm zum Beispiel unseren ausgehungerten Freund. Er ist das perfekte Produkt dieser Isolation. Hast du die seltsamen Dinge gesehen, die er am Hals trägt? Das sind keine exzentrischen Schmuckstücke, sondern Amulette, Glücksbringer und Zaubermittel. Sie sollen das Böse fernhalten, Geld anlocken und vor allem dabei helfen, jenseits der Lebensmitte nicht die sexuelle Potenz zu verlieren.«
    Constance verzog leicht angewidert das Gesicht.
    »Bertin glaubt an und praktiziert Obeah, Rootwork und Voodoo.«
    »Wie absonderlich.«
    »Nicht für ihn, wenn man bedenkt, in was für einer Umgebung er aufgewachsen ist. Er wurde genauso geachtet wie sonst ein Arzt in einer anderen Gemeinde.«
    »Erzähl weiter.«
    »Wie gesagt, die meisten kleinen Kinder haben den
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