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Snap - Im Haus des Bösen

Snap - Im Haus des Bösen

Titel: Snap - Im Haus des Bösen
Autoren: Douglas Preston , Lincoln Child
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sein.
    Sollte ich von meinem Besuch bei M. Dufour nicht zurückkehren, können die Jungen Diogenes und Aloysius Dich mit allen weiteren Einzelheiten in dieser Angelegenheit versorgen.

    Adieu, Cousin. Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen,
    Dein Everett
     
    Als ich den Brief zurückgab, hat mein Vater mich streng angeschaut. ›Würdest du mir erklären, was das alles zu bedeuten hat, Aloysius?‹ Sein Stimme klang sanft und doch so angespannt wie eine stählerne Falle.
    Stockend – mit einer Mischung aus Verlegenheit, Scham und Angst – habe ich ihm alles erzählt, was vorgefallen war. Er hörte aufmerksam zu, stellte keine einzige Frage und unterbrach auch nicht den Fluss meiner Erzählung. Als ich fertig war, setzte er sich in seinem Stuhl zurück. Er zündete sich eine Zigarette an und rauchte sie nachdenklich, noch immer schweigend. Als sie fast nur noch ein Stück Asche zwischen seinen Fingerspitzen war, ließ er sie in einen Aschenbecher fallen, beugte sich vor und las den Brief meines Onkels noch einmal. Dann holte er tief Luft, stand auf, strich seine Hemdbrust glatt, öffnete eine Schublade, zog einen Revolver heraus, prüfte ihn, um zu sehen, ob er geladen war, und steckte ihn sich hinter den Hosenbund.
    ›Was hast du vor, Vater?‹, fragte ich, obwohl ich es nur allzu leicht erraten konnte.
    ›Nachsehen, was aus deinem Onkel Everett geworden ist‹, antwortete er und durchmaß das Arbeitszimmer in Richtung Haustür.
    ›Lass mich mitkommen‹, platzte ich heraus.
    Er sah mich an, mit vor Erstaunen leicht zusammengekniffenen Augen. ›Das geht nicht, mein Sohn.‹
    ›Aber es ist meine Schuld. Ich
muss
mitkommen. Verstehst du denn nicht?‹ Ich packte seinen Ärmelaufschlag. Ich flehte. Ich insistierte. Ich bettelte.
    Schließlich nickte er langsam. ›Also gut. Vielleicht wird es – was immer
es
ist – dir eine Lehre sein.‹ Kurz bevor er die Tür öffnete, wandte er sich um, als sei ihm etwas eingefallen, griff sich eine Sturmlampe und ging hinaus in die Nacht.
    Erst einige Abende zuvor war ich die Dauphine Street entlanggegangen und in die Montegut abgebogen, so wie wir es jetzt taten. Damals hatte ich gedacht, was für ein Narr mein Bruder doch gewesen war, und war sehr verärgert darüber, dass
ich
ihn zur Räson bringen musste. Jetzt aber – als mein Vater und ich uns der dunklen und stillen Dufour-Villa näherten – wurde mir ganz schwer ums Herz. Es war eine stürmische Nacht, sehr viel stürmischer als bei meinem vorhergehenden Ausflug; die Bäume raschelten und ächzten, als der Wind an ihnen rüttelte, die Straßenlaternen warfen wirbelnde Schatten auf die Straße. In den Häusern, an denen wir vorbeikamen, brannte kein Licht, alle Fensterläden waren geschlossen zum Schutz vor dem aufziehenden Gewitter. Als ich zum Himmel blickte, sah ich Wolkenfetzen vor einem dicken gelben Vollmond dahinziehen. Obwohl mein Vater neben mir ging, ergriff mich eine Seelenpein, eine derartige Todesangst, wie ich sie wohl weder vorher noch nachher jemals empfunden habe.«
    Pendergast verfiel in Schweigen. Nach einigen Augenblicken stand er auf und ging in der Bibliothek auf und ab, ungefähr so, wie Monsieur Bertin es eine Dreiviertelstunde zuvor getan hatte. Er blieb stehen und stocherte mit einem Schürhaken im Kaminfeuer, wodurch die heruntergebrannten Kohlen aufloderten und das Zimmer in ein flackerndes Licht getaucht wurde. Nachdem er erneut einige Schritte auf und ab gegangen war, begab er sich zum Sideboard und schenkte sich einen großen Brandy ein. Er kippte ihn hinunter, füllte das Glas nach und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Constance wartete, dass er weitererzählte.
    »Das Haus lag wie beim vorherigen Mal vollkommen dunkel und still. Ich blickte zu dem Erkerfenster hoch, aber in dieser Nacht war es ebenfalls dunkel. Der Wind hatte eine zerschlissene Spitzengardine durch die zerbrochene Fensterscheibe nach draußen gesaugt, und die Gardine flatterte im Wind. Sie kam mir vor wie ein gefangenes Nachtgespenst, das verzweifelt um Hilfe gestikuliert.
    Wir stiegen die Treppe zur Veranda hoch – die Stufen knarrten unter unserem Gewicht – und gelangten zur Tür. Ich versuchte, den Blick abwenden, was mir aber nicht gelang: Das seltsame Gestell mit dem Kupfergefäß stand noch immer da; die Öffnung war dunkel.
    Die Tür hatte keine Klingel, keinen Klopfer. Mein Vater reichte mir die nicht angezündete Sturmlampe, zog den Revolver hinter dem Hosenbund hervor und versuchte, die Tür zu öffnen.
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