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Slant

Slant

Titel: Slant
Autoren: Greg Bear
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kalifornischen Südküste besucht; dagegen ist Omphalos architektonisch eindeutig nobler geraten. Doch es würde ihm niemals in den Sinn kommen, die wirklich Toten in Forest Lawn auszurauben, zumal ihr verrottendes Fleisch kaum von Juwelen geziert wird.
    Die eingefrorenen Fast-Toten sind etwas ganz anderes. Diese Kälteschläfer sind mit all ihrem beweglichen Besitz – wertvollem Metall, Sammlerstücken, langfristig auf Papier verbürgten Sicherheiten – in den speziellen Kühlzellen von Omphalos bestattet, sodass Giffey schätzt, jeder Einzelne könnte mehrere hundert Millionen Dollar wert sein.
    Wer reich genug ist, um sich eine solche Unterbringung leisten zu können, hat die freie Auswahl zwischen verschiedenen Service-Paketen: am billigsten ist die Option, bei der nur der Kopf biovitrifiziert und kryokonserviert wird. Als Nächstes folgen Kopf und Rumpf und schließlich der gesamte Körper. Es gibt sogar noch teurere experimentelle Möglichkeiten – für die Reichsten von allen, die Spitzenverdiener unter den Plutokraten.
    Die geneigte Fläche des Keils glänzt wie ein mit windgewelltem Schnee bedecktes Feld. Die Schlange gerät in Bewegung, nachdem nun Geräusche aus dem Innern zu hören sind. Dann öffnet Omphalos seine hohen Tore aus Stahl und Flexfuller und die sanfte öffentliche Stimme schallt mit der Andeutung eines Trauertonfalls über die Menge.
    »Willkommen zur Hoffnung unser aller Zukunft«, sagt die Stimme, als sich die Schlange begierig in die hohe Lobby aus strengem Granit und Stahl drängt. Große glänzende Säulen erheben sich übermenschlich und entmutigend wie metallene Mammutbäume rings um die Studententouristen. Der Boden besteht aus lebendem Holostein, der unter ihren Füßen morphende Szenen künftiger Pracht zeigt: fliegende Städte hoch über Bergen im Sonnenuntergang, Villen auf Mars und Mond, idyllische Täler, deren Felder von gehorsamen Arbeiter-Robotern bestellt werden, während wunderschöne, aristokratisch anmutende Männer und Frauen aller Hautfarben und Glaubensbekenntnisse von den Baikonen ihrer strahlend weißen Herrenhäuser zusehen. »Diese vollständig automatisierte Einrichtung ist das Ruhelager für maximal zehntausendzweihundertneunzehn biologisch konservierte Gäste, die alle nach ihrer Wiederherstellung und Wiedererweckung ein langes und glückliches Leben erwarten dürfen. In Omphalos gibt es keine menschlichen Angestellten, weder Wärter noch Techniker oder Wachpersonal…«
    Giffey hat noch nie mit einer Maschine zu tun gehabt, der er nicht im Schach, im Kriegsspiel oder in der Vorhersage von Börsenentwicklungen überlegen war. Giffey glaubt, er ist möglicherweise einer der intelligentesten oder zumindest funktionell erfolgreichsten Menschen auf diesem Planeten. Ihm gelingt alles, was er sich vornimmt. Andererseits – bei diesem Gedanken muss er grinsen – gibt es viele Dinge, die er sich niemals vorgenommen hat.
    Er blickt zur hohen Decke der Lobby hinauf, die mit Kristallprismen besetzt ist, die überall Regenbogen projizieren. Darüber stellt er sich die gestapelten Kältezellen voller Körper und Köpfe vor. Wie er aus geheimen Quellen erfahren hat, sind einige nicht gefroren, sondern leben und denken weiter. Diese Art der Konservierung in Nano-Bädern wird euphemistisch als Wärmeschlaf bezeichnet. Die Leute sind alt und krank und das Gesetz erlaubt ihnen nicht, weitere umfangreiche medizinische Eingriffe vornehmen zu lassen. Sie haben ihre Chance zu leben gehabt; andernfalls würde man sie als gierige Chronovoren klassifizieren, als Streber nach der Unsterblichkeit, was überall illegal ist – außer in der quasi-unabhängigen Republik von Green Idaho, wo es unpraktisch ist.
    Doch die unheilbar Kranken haben die Möglichkeit, fast ihren gesamten materiellen Vermögensbesitz an die Republik abzutreten und als isolierte Mündel des Syndikats in Omphalos einzutreten.
    Giffey vermutet, dass die noch Lebenden die Wissensdurstigen sind. Sie bleiben während des Schlafs aktiv.
    Giffey ist es gleichgültig, was sie träumen, ob sie noch halb am Leben oder bereits völlig tot sind, ob sie ständig unter vollsensorischem Yox stehen oder ob sie sich auf die Zukunft vorbereiten, indem sie zu den bestausgebildeten Fast-Leichen in der Datenfluss-Welt werden. Sie hätten sich ehrenhaft aus dem Spiel verabschieden sollen. Sie brauchen ihren materiellen Besitz nicht mehr.
    Omphalos’ Bewohner sind nicht mehr als eine spezielle Art von Pharaonen. Und Jack Giffey ist
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