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Slant

Slant

Titel: Slant
Autoren: Greg Bear
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Minstrel.
    »Keine Sorge. Hast du den Text gelesen, Alice?«
    »Nur den Entwurf, den du geschickt hast. Es ist ein langes Buch, Francis.« In der Tat, altertümlich, lang und langweilig.
    Francis arbeitet an einer vielschichtigen Vid-Version der Feenkönigin. Er lächelt stolz. »Eine wahre Herausforderung, Spensers wunderbare Verse in Yox zu gießen!« Bei diesem Thema lebt er sichtlich auf. »Der Rotkreuzritter ist großen Versuchungen ausgesetzt, Alice. Er ist mit einer Königin aus dem Osten namens Una auf Reisen. Ein Drache hat ihr Land verwüstet und sie hofft, dass der Rotkreuzritter…«
    »Fertig, Francis.« Ahmed zeigt ihm die Flaschen mit dem lichtdurchlässigen Nano, das nun vollständig mit Nährmitteln gesättigt ist. Die Flüssigkeit ist trübe und wird endlich mobil; sie erscheint geradezu rastlos. Alice betrachtet sie mit einer gewissen Skepsis. Sie hat sich bei verschiedenen Engagements über hundertmal einpluggen lassen, aber niemals hat sie richtiges Vertrauen in den Prozess entwickelt. Dennoch ist sie noch nie ernsthaft verletzt worden, selbst wenn das Nano wie hier durch einen Nichtmediziner verabreicht wurde.
    »Der Ritter wird ihr Land vom Drachen befreien. Zuvor hat der Rotkreuz-Ritter das schreckliche Untier Lüge samt seiner Nachkommenschaft bezwungen. Eine wahrlich grausige Szene, die ich brillant geschichtet habe. Jetzt befinden sie sich an einem Ort großer Versuchungen – Una und der Ritter. Ihr habt die Stichworte gelesen.«
    »Wir sind mit gespenstischen Leidenschaften geladen«, sagt Minstrel.
    »Alice, mein Stolz, du verströmst die unheimlichste Libido, die ich je aufgezeichnet habe, wenn du auf den Punkt kommst.«
    »Ich hoffe, das soll ein Kompliment sein«, sagt Alice.
    »Das ist es. Una und der Rotkreuz-Ritter haben sich in die Werkstatt des bösen Archimagus verirrt, der in Gestalt eines gottesfürchtigen und freundlichen Eremiten auftritt. Es ist ein Ort schrecklicher Versuchungen. Du bist ein verwunschener Geist, ein von Archimagus erschaffener Sukkubus, der quälen und täuschen soll. Du verspürst ein tiefes Verlangen nach diesem jungen, hübschen und tugendhaften Ritter, aber wenn du ihn nimmst, wirst du ihn zerstören – und du weißt, dass er nie wieder auf deine Täuschungen hereinfallen wird. Doch indem du in der Gestalt der keuschen Una erscheinst und dich mit deinen Geistergesellen in anzüglichen Träumereien ergehst, wirst du ihn zum Irrglauben veranlassen, diese Dame aus dem Osten sei den Versuchungen erlegen und würde sich in Wollust suhlen. Du musst die Leidenschaften der falschen Una spüren, als wäre sie ein wirklicher, beseelter Körper und keine dämonische Illusion. Zweifellos werden sich viele neugierige Augen und Finger in diese Schicht einpluggen wollen.«
    »Es scheint, dass du diesmal auf künstlerische Breitenwirkung setzt«, sagt Minstrel und stochert mit dem Finger zwischen den Zähnen. Anschließend betrachtet er interessiert seinen Finger.
    »Ja, ich würde gerne ein paar Rechnungen bezahlen«, blafft Francis zurück. »Du gehst direkt in Leni, während wir die Kulisse auf der Bühne abspielen. Du wirst über sieben emotionale Aufzeichnungen von anderen Fluffers geschichtet, also brauche ich eine saubere und klare Vorstellung.«
    Fluffers. Alice hasst dieses Wort noch mehr als Fickkünstler, obwohl es allgemein gebräuchlich ist. Früher wurden so die Frauen bezeichnet, die die Schauspieler in alten Sexfilmen stramm und gleitfähig hielten. Der Vergleich ist jedoch bestenfalls unpassend; denn was Alice und Minstrel abliefern werden, ist eine Schicht aus emotionalen Roherfahrungen, die direkt aus ihrem Geist in die Kamera überspielt werden. Leni ist beinahe mit einem Gehirn zu vergleichen, das über zahlreiche Augen verfügt. Francis führt Leni, er redet ihr gut zu, sodass ihr Verhältnis weniger das zwischen Künstler und Werkzeug, sondern eher zwischen künstlerischen Partnern ist.
    Ahmed kommt mit dem Kitt und trägt ihn in Form kleiner Dämme zuerst an Alices, dann an Minstrels Kopf auf. Sie halten still, während er eine Dosis warmes Nano in den Kitt injiziert. Alice ist an diese Methode zur Erzeugung eines Breitband-Plugs gewöhnt; sie ist im billigeren Yox allgemein verbreitet.
    Einige Minuten vergehen. Eine mikroskopische Verbindung aus leitfähigem Material hat sich durch Zwischenräume in der Haut, den Knochen und dem Gehirn geschoben, bis zu Amygdala, Hippokampus und Hypothalamus, in den Sitz ihrer Urteilsmaschinerie, den Großen
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