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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion
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biotecnologia.«
    Alle grinsten. Er wusste nicht genau, ob sie glaubten, dass er nicht wie ein Biotech-Buchhalter aussehe, oder ob sie ihm einfach generell nicht glaubten. Wie dem auch sein mochte, sie verfolgten die Sache nicht weiter. Sie waren an Männer mit Geschichten gewöhnt, die nicht so recht zu ihren Gesichtern passen wollten.
    »Hablas bien el español«, beglückwünschte ihn jemand.
    Sein Spanisch war gut, obwohl er während der vergangenen beiden Wochen zumeist Quechua gesprochen hatte. Mit marsianischem Akzent, jedoch nach wie vor eng angelehnt an das ursprüngliche Peruanisch, aus dem es hervorgegangen war. Die überwiegende Masse der Bewohner des Altiplano sprach es, und aus ihnen bestand umgekehrt der größte Teil der Hilfsarbeiter in den Präpcamps ebenso wie auch auf dem Mars. Dessen ungeachtet war die Sprache der Behörden hier oben immer noch Spanisch. Abgesehen von einem Amenglisch, das sie sich aus dem Netz zusammengesucht hatten, sprachen diese Burschen von der Küste nichts anderes. Aus Sicht der Gesellschaft wahrhaftig kein Idealzustand, aber die Regierung in Lima war eisern gewesen, als die COLIN-Verträge unterzeichnet worden waren. Die Übergabe der Gewalt an die Gringo- Gesellschaften war eine Sache, dafür gab es historische, von der Oligarchie befürwortete Präzedenzfälle. Aber den Bewohnern des Altiplano zu gestatten, kulturell die Küstenherrschaft abzuschütteln, nun ja, das wäre schlicht inakzeptabel. Da hing einfach noch zu viel schlimme Geschichte dran. Die ursprünglichen Inkas vor sechshundert Jahren und ihre starrsinnige, dreißig Jahre währende Weigerung, sich wie ein erobertes Volk zu verhalten, dann die blutige Wiederholung des Ganzen durch Tüpac Amaru im Jahr 1780, die Maoisten vom sendero luminoso kaum einhundert Jahre zuvor sowie die Aufstände jüngeren Datums der familias andinas. Diese Lektionen hatte man gelernt, und es hieß allgemein: nie wieder. Spanisch sprechende Uniformierte und Bürokraten stellten die Sache nachdrücklich klar.
    Der Patrouillentransporter kam ruckartig zum Stehen, und die Hecktür schwang schwer nach außen auf. Hartes Hochgebirgs-Sonnenlicht ergoss sich ins Innere, und mit ihm kamen auch die Geräusche und Gerüche des Camps herein. Jetzt hörte er Quechua, die vertrauten un-spanischen Kadenzen, wie sie über dem Lärm der Maschinen hin und her flogen, niedergewalzt von der Stimme eines importierten Roboters, der auf Amenglisch Fahrzeug fährt rückwärts Fahrzeug fährt rückwärts trötete. Von irgendwoher ertönte Musik, gesungener Huayno, neu abgemischt zu einem Bloodbeat-Tanzrhythmus. Unter dem Geruch nach Maschinenöl und Kunststoff lag der durchdringende Duft dunklen Fleischs. Jemand grillte antecuchos über einem Holzkohlenfeuer. Carl glaubte, das Geräusch von Rotoren zu vernehmen, die sich irgendwo in der Ferne erhoben.
    Die Soldaten drängten hinaus, wobei sie Packen und Waffen hinter sich herzogen. Carl überließ ihnen den Vortritt, folgte ihnen und sah sich um, ihre Geschäftigkeit als Deckung nutzend. Der Transporter war auf einer Rampe aus Evercrete gegenüber von ein paar staubigen Bussen mit dem Ziel Cuzco und Arequipa stehen geblieben. Der Busbahnhof war nicht mehr als eine offene Balkenkonstruktion, und dahinter erstreckte sich das Garrod-Horkan-9-Camp den Berg hinauf. Es bestand aus eingeschossigen vorfabrizierten Baracken, die an dem sterilen, rechteckig angelegten Straßennetz standen. Die weißen Fahnen der Gesellschaft flatterten alle paar Blocks an Pfählen, darauf ein ineinander geschlungenes G und H, umringt von Sternen. Durch die glaslosen Fenster des Busbahnhofs entdeckte Carl Gestalten, deren Overalls vorn und hinten dasselbe Logo zierte.
    Verdammte Gesellschaftsstädte!
    Er warf sein Gepäck in ein Schließfach im Bahnhof, fragte einen Straßenfeger im Overall nach dem Weg und ging hinaus in die Sonne, auf die ansteigende Straße zu. Unten im Tal schimmerte der Titicacasee schmerzhaft grell und blau. Er setzte sich die intelligente Cebe-Sonnenbrille auf, rückte seinen mitgenommenen peruanischen Lederstetson auf dem Kopf zurecht und machte sich auf den Weg den Hang hinauf, wobei er der Musik folgte. Die Maskerade war eher Tarnung als wirklich nötig – seine Haut war dunkel und wettergegerbt genug, dass er sich wegen der Sonne keine Sorgen machen musste, aber die Gläser und der Hut würden seine Züge zum Teil verdecken. Schwarze Gesichter waren in den Camps des Altiplano nicht gerade Alltag, und so
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