Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
der trockenen Terminologie des Jacobsen-Reports bedienend, jedoch weiter hinabschwingend in den hormonellen Sumpf des Instinkts, fand man ein selten zugegebenes, jedoch nichtsdestoweniger schwindelerregendes Entsetzen darüber, dass er, trotz und alledem, nach wie vor einer von ihnen war.
    Und noch schlimmer als all das: In den Augen der Kolonisierungsgesellschaft war Carl die wandelnde schlechte Presse. Schlechte Presse und Garantie für ein Loch in der Tasche. Bis jemand wie Gray bereit fürs Ausschiffen war, mochte Garrod Horkan gut und gern mehrere Zehntausend Dollar in verschiedene Trainings und ein Biotech-Netz hineingesteckt haben. Nicht gerade die Investition, die man gern im Staub des Altiplano verbluten sah, darüber die Schlagzeile: Unzureichende Sicherheitsvorkehrungen im COLIN-Camp!
    Vier Jahre zuvor hatte er seine Ankunft dem Direktor eines Camps südlich von La Paz angekündigt, und sein Opfer war auf mysteriöse Weise verschwunden, während Carl dabei gewesen war, Formulare im Verwaltungstrakt auszufüllen. Bei seinem Eintritt in das Fertiggebäude hatte noch eine dampfende Suppenschüssel auf dem Küchentisch gestanden, darin ein Löffel. Die Hintertür war offen gewesen, ebenso wie ein geleerter Koffer am Fuß des Bettes im Nebenraum. Der Mann war nie mehr aufgetaucht, und Carl war zu dem Schluss gekommen, sich selbst und der Agentur gegenüber, dass der Mann jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Mars war. Niemand bei COLIN wollte das in der einen oder anderen Hinsicht bestätigen, also hielt er sich nicht mit Nachfragen auf.
    Sechs Monate danach kündigte sich Carl spät am Abend bei einer anderen Campleitung an, erklärte, die Formulare später ausfüllen zu wollen, und als er das Büro der Verwaltung verließ, fielen fünf Männer mit Baseballschlägern über ihn her. Zum Glück waren es keine Profis, und sie gerieten einander im Dunkeln ständig in den Weg. Aber bis er einen der Schläger für sich erkämpft und seine Angreifer vertrieben hatte, war das gesamte Lager wach. Die Straße war von Fackeln erhellt, und die Neuigkeit breitete sich wie ein Lauffeuer aus: Da war ein neues schwarzes Gesicht, einer von draußen, unten im Verwaltungsblock, und der machte Schwierigkeiten. Carl gab sich nicht einmal die Mühe, sich auf die Straßen und unter die Augen der Leute zu wagen, um die Adresse seines Opfers zu überprüfen, die er erhalten hatte. Er wusste bereits, was er finden würde.
    Blieb noch das Nebenprodukt des Kampfs, das ebenfalls vorhersagbar war. Trotz zahlreicher Passanten und selbst ein oder zwei direkter Zuschauer fanden sich auf einmal keine nützlichen Zeugen mehr. Der Mann, den Carl so schwer verletzt hatte, dass er nicht mehr davonlaufen konnte, schwieg beharrlich über seine Gründe für den Angriff. Die Campleiterin weigerte sich, ihn von Carl allein befragen zu lassen, und untersagte sogar die überwachte Befragung aus medizinischen Gründen. Der Gefangene hat Rechte, wiederholte sie langsam, als ob Carl nicht sonderlich helle wäre. Sie haben ihm bereits schwere Verletzungen zugefügt.
    Carl, dem selbst das Blut aus einer aufgerissenen Wange tröpfelte und der vermutete, dass mindestens einer seiner Finger gebrochen war, sah sie daraufhin nur an…
    Heutzutage meldete er sich erst nach dem Einsatz bei der Campleitung.
    »Bin auf der Suche nach ’nem alten Freund«, sagte er zu der Kellnerin, als sie mit dem Apparat zurückkam. Er reichte ihr die COLIN-Karte und wartete, bis sie sie durchgezogen hatte. »Sein Name ist Rodriguez. Ist sehr wichtig, dass ich ihn finde.«
    Ihre Finger schwebten über dem Tastenfeld. Sie zuckte mit den Schultern.
    »Rodriguez ist ein weit verbreiteter Name.«
    Carl holte einen der Ausdrucke von der Klinik in Bogota hervor und schob ihn ihr über die Theke zu. Es war ein schöngefärbtes Foto, vom System generiert, um den Kunden zu zeigen, wie sie aussähen, wenn die Schwellung abgeklungen wäre. In Wirklichkeit und so bald nach einer derart billigen Operation hätte Grays neues Gesicht vielleicht bei einem Lynchopfer aus Jesusland nicht fehl am Platz gewirkt, aber der Mann, der einem auf dem Klinikfoto entgegenlächelte, wirkte unverletzt und angenehm wenig bemerkenswert. Breite Wangenknochen, breiter Mund, eine amerindische Ummodelung von der Stange. Carl, der in dieser Hinsicht immer und ewig misstrauische Carl, hatte Matthew in jener Nacht in den Datenfluss der Klinik zurückkehren lassen, nur um sicherzugehen,’ dass sie ihn nicht mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher