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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme
Autoren: Samuel R. Delany
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Atemzug lang in Grellas Faust. Dann schob sie es wieder durch die Fäden.
    Die Transit-Schleife spannte sich über das Wasser. Licht schaukelte auf den Wellen, als hätte man Diamanten ausgestreut. Das Metallband sah daneben stumpf aus.
    Das Morgenlicht wanderte über das Wasser, bis es auf den Strand einer Insel fiel. Die Transit-Schleife hing über dem geschäftigen Treiben der Kais und Werften. Jenseits der Kais spielte Gold um die Türme der Stadt, und als die Sonne aufging, senkte sich das Gold auch in die Straßenschluchten.
    Über das Dröhnen der tetrongetriebenen Winden und das Quietschen der Karren hinweg plauderten zwei Kaufleute.
    »Es sieht so aus, als brächte Ihr Boot eine Ladung Fische herein«, sagte der eine, ein stattlicher Mann.
    »Vielleicht Fische, vielleicht etwas anderes«, erwiderte der zweite.
    Der Stattliche trug elegant geschnittene Kleider aus einem teuren Stoff. Man sah ihm an, daß er sich bei seinen Entscheidungen selten täuschte. »Sagen Sie, Freund«, meinte er nun, »weshalb schicken Sie Ihr Schiff bis zum Festland und kaufen von den kleinen Fischern? Meine Aquarien können die ganze Stadt mit Lebensmitteln versorgen.«
    Der andere Händler warf einen Blick auf seine Bestandslisten.
    »Vielleicht unterscheiden sich meine Kunden von den Ihren.«
    Der erste Händler lachte. »Sie verkaufen an die ersten Familien der Stadt, die immer noch darauf beharren, daß importierte Lebensmittel etwas Exklusives sind. Wissen Sie, mein Freund, daß ich Ihnen in jeder Hinsicht überlegen bin? Ich versorge mehr Menschen als Sie, also produziere ich bessere Ware. Ich verkaufe billiger als Sie, also bin ich ein größerer Wohltäter. Ich verdiene mehr als Sie, also bin ich reicher. Heute vormittag kehrt meine Tochter von der Universität zurück, und am Abend veranstalte ich ihr zu Ehren ein so großes und üppiges Fest, daß sie mich mehr lieben wird, als je eine Tochter ihren Vater geliebt hat.«
    Hier lachte der selbstzufriedene Kaufmann wieder und wandte sich der Werft zu, um eine Ladung Tetronerz zu inspizieren, die vom Festland hereinkam.
    Als der Fischhändler die nächste Liste in die Hand nahm, trat ein anderer Mann an seine Seite. »Was hatte der alte Koshar zu lachen?« fragte er.
    »Er protzte damit, daß er mit dieser verrückten Aquariums-Idee sein Glück gemacht hätte. Und er versuchte, mich auf seine Tochter eifersüchtig zu machen. Er veranstaltet ihr zu Ehren heute abend ein Fest, zu dem ich zweifellos eingeladen werde; aber die Einladung trifft garantiert so spät am Nachmittag ein, daß ich nicht mehr ordnungsgemäß antworten kann, wie es sich gehört.«
    Der andere Mann schüttelte den Kopf. »Er ist stolz. Aber man kann ihn zurechtstutzen. Wenn er das nächste Mal seine Tochter erwähnt, fragen Sie ihn nach seinem Sohn. Sie werden sehen, wie ihm die Schamröte ins Gesicht steigt.«
    »Mag sein, daß er stolz ist«, entgegnete der andere. »Aber ich bin nicht grausam. Weshalb sollte ich ihm weh tun? Die Zeit selbst bringt oft alles ins rechte Lot. Der nahende Krieg wird es zeigen.«
    »Vielleicht«, meinte der Kaufmann. »Vielleicht.«
     
    Sobald sich die Transit-Schleife über der Insel Toron, der Hauptstadt von Toromon, befindet, weicht sie von ihrem geraden Kurs ab, windet sich um die Hochhäuser und fädelt sich durch die hochgelegenen Straßen, bis sie schließlich eine breite Betonfläche überquert, die von Flugzeughangars gesäumt wird. Einige Maschinen waren eben gelandet, und am Passagierausgang drängte sich eine dichte Menschentraube um die Metallabsperrung. Sie warteten auf die Neuankömmlinge.
    Unter ihnen war ein junger Mann in Uniform. Kurz geschnittenes rotes Haar, Augen, die in dem blassen Gesicht doppelt dunkel wirkten, dazu geballte Kraft in den Beinen und Schultern – das waren Dinge, die sofort an ihm auffielen. Ein näherer Blick verriet, daß der junge Mann die Insignien eines Majors trug.
    Er beobachtete die Passagiere mit mehr als militärischem Interesse.
    »Tomar!« rief jemand.
    Er drehte sich mit einem breiten Lächeln um. Etwas zu kraftvoll schob er sich durch die Menge, bis er beinahe mit dem Mädchen zusammenstieß. Er blieb stehen und betrachtete sie zugleich verwirrt und glücklich.
    »Himmel, bin ich froh, daß du mich abholst«, sagte sie. »Komm, du kannst mich zu Vater bringen.« Ihr schwarzes Haar schmiegte sich eng an die breiten, beinahe orientalischen Backenknochen. Sie hatte blasse Lippen, doch wenn sie lächelte, wirkte sie seltsam
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