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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme
Autoren: Samuel R. Delany
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Gasse weiter kam, kam jemand im Laufschritt um die Ecke und rannte auf die Kneipe zu.
    »Tel!« flüsterte Rara. »Tel!«
    »Hallo, Rara!« Er blieb keuchend stehen.
    »Los, komm herein«, sagte sie. Sie betraten den Vorraum der Gastwirtschaft. »Tel, weißt du, was Alter zugestoßen ist? Im Lazarett erzählte man mir eine ganz unheimliche Geschichte. Und dann warst du verschwunden. Mein Gott, ich komme mir ganz verrückt vor, daß ich diese Bude wieder eröffne. Aber wenn sie irgendwie versuchen sollte, zurückzukommen, muß ich doch in der Nähe sein. Und dann, was kann ich sonst tun? Ich muß schließlich leben und …«
    »Rara«, sagte er, und er sagte es so, daß sie zu reden aufhörte. »Ich weiß doch, wo Alter ist. Sie befindet sich in Sicherheit. Du sagst weiterhin, daß du nicht weißt, wo sie ist. Sag, daß du nicht mehr an ihre Rückkehr glaubst. Ich gehe wieder zu ihr, aber das darfst du auch niemandem verraten. Ich kam nur her, um ein paar Dinge in Ordnung zu bringen.«
    »Ich habe ihre Sachen alle in ein Bündel getan. Im Krankenhaus gab man mir ihre Kleider, und da packte ich ein Bündel. Man weiß ja nie, ob man mal schnell fliehen muß. Einmal erging es uns schon so, im Zirkus, als der Direktor auf sie aufmerksam wurde und sie ständig belästigte. Damals war sie zwölf. Ein Tier, dieser Mensch! Vielleicht solltest du …«
    »Je weniger ich mitnehme, desto besser«, sagte Tel. Dann sah er das Bündel auf dem Tisch neben der Tür. Obenauf lag eine Lederschnur, an der immer noch ein paar zerbrochene Muscheln hingen. »Vielleicht das hier«, sagte er und hob sie hoch.
    »Wie sieht Geryns Zimmer aus?«
    »Nachdem sie ihn fortholten, wurde die Kneipe geplündert. Das ganze Lumpengesindel aus dem Höllenkessel hat sich hier ein Stelldichein gegeben. Überhaupt, was ist mit Geryn? Wie geht es ihm?«
    »Tot«, sagte Tel. »Ich kam eigentlich her, um die Entführungspläne zu verbrennen.«
    »Tot?« fragte Rara. »Nun, eigentlich überrascht mich das nicht. Oh, die Pläne! Die habe ich sofort verbrannt, als ich sein Zimmer betrat. Sie lagen alle auf dem Tisch verstreut. Ich weiß auch nicht, weshalb die Entführer sie nicht mitnahmen …«
    »Hast du auch die kleinsten Schnipsel verbrannt?«
    »Ja. Und die Asche habe ich zerrieben und im Laufe von drei Tagen auf den Docks verstreut. Jede Spur ist beseitigt.«
    »Dann gibt es wohl für mich nichts mehr zu tun«, sagte er. »Es kann sein, daß du weder mich noch Alter in der nächsten Zeit wiedersiehst. Ich werde ihr alles Liebe von dir ausrichten.«
    Rara küßte ihn auf die Wange. »Für Alter«, sagte sie. Dann sah sie ihn an. »Tel?«
    »Was?«
    »Die Frau, die du beinahe umgestoßen hättest, als du um die Ecke kamst …«
    »Ja?«
    »Hast du sie je zuvor gesehen?«
    »Ich habe sie gar nicht beachtet. Weshalb?«
    »Laß nur«, sagte Rara. »Aber geh jetzt, bevor … schön, geh jetzt.«
    »Leb wohl, Rara.« Er ging.
     
    Der Balkon vor Cleas Fenster war nicht so hoch wie die Türme des königlichen Palasts. Eine leichte Brise umfing die grünen Kacheln. Jenseits der Häuser lag das Wasser, tiefblau und unbewegt. Clea beugte sich über das Balkongeländer. Auf dem weißen Marmortisch lag ihr Notizbuch, eine Schrift über Materietransmission und ihr Rechenschieber.
    »Clea.«
    Sie wirbelte herum, als sie die Stimme hörte. Das dunkle Haar legte sich um eine Schulter.
    »Danke, daß du meine Botschaft durchgegeben hast.«
    »Du bist es«, sagte sie langsam. »Und höchstpersönlich.«
    »M-hm.«
    »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.« Sie drängte die Tränen zurück. »Ich freue mich so.«
    »Ich habe schlechte Nachrichten für dich.«
    »Wie meinst du das?«
    »Sehr schlechte Nachrichten. Ich muß dir weh tun.«
    Sie hielt den Kopf schräg und sah ihn verwirrt an.
    »Tomar ist tot.«
    Der Hals wurde starr, die dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen, und sie biß sich auf die Lippen, bis die Kinnmuskeln zitterten. Einmal nickte sie kurz. »Ja.« Dann schloß sie die Augen. »Das – das tut sehr weh.«
    Er wartete eine Zeitlang und sagte dann: »Komm, ich zeige dir etwas.«
    »Was?«
    »Komm zum Tisch. Hier.« Er holte eine Handvoll Zentiunits aus der Tasche, schob ihre Bücher und den Rechenschieber zur Seite und ordnete die Münzen zu einem Quadrat, bei dem eine Ecke fehlte. Dann nahm er eine kleinere Münze, einen silbernen Deziunit, und legte ihn ein Stück entfernt auf den Tisch. »Schieß die Münze in die Lücke hier«, sagte er.
    Sie legte
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