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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme
Autoren: Samuel R. Delany
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Wir scheinen in unseren Körpern zu sein, aber sie haben sich verändert. Es sind die Körper, die wir in den entscheidenden Augenblicken unseres Lebens trugen. Vielleicht sind wir in irgendeiner Ecke des Universums auf einen Planeten gestoßen, der Wesen wie wir beherbergt – mit diesem einzigen kleinen Unterschied.«
    »Möglich«, sagte Arkor. »Bei den unzähligen Welten, die es gibt, könnte eine durchaus diese Eigenschaften besitzen.«
    »Und das würde selbst so weit gehen, daß wir darüber diskutieren?« fragte Petra. Sie gab sich selbst die Antwort. »Ja, warum nicht? Aber daß wir all das aus uns unbekannten Gründen diskutieren – mit den Worten: ›Aber daß wir all das aus uns unbekannten Gründen diskutieren …‹« Sie schauderte. »Nein, so darf es nicht sein. Ich bekomme eine Gänsehaut.«
    Sie hörten wieder ein Geräusch und erstarrten. Ein dumpfes Grollen, als würde ein Gebäude einstürzen – aber sie sahen nichts.
    Nach weiteren zehn Metern wiederholte sich der Laut. Sie hatten eben die Ausläufer der Stadt erreicht. Die Straße unter ihren Füßen begann zu schwanken. »Oh, oh«, sagte Arkor.
    Dann brach die Straße zusammen. Sie schrien auf, versuchten zu fliehen; plötzlich waren sie von Betonbrocken umgeben. Ein Stück der Straße hatte sie mit in die Tiefe gerissen. Über sich sahen sie blauen Himmel und die Ränder der Bruchstelle.
    »Mein Fuß ist eingeklemmt«, rief Petra.
    Arkor stand neben ihr und zerrte an dem Betonbrocken, der ihren Fuß festhielt.
    »Einen Augenblick«, sagte Jon. Er packte eine Metallstrebe, die im Schutt lag, schob sie unter den Brocken und hebelte ihn damit hoch. »So, jetzt zieh den Fuß heraus.«
    Petra rollte sich zur Seite. »Ist das Bein gebrochen?« fragte er. »Einmal gelang es mir im Bergwerk, einen Freund auf diese Weise zu retten.« Er ließ den Brocken wieder fallen. (Und einen Moment lang dachte er: Ich wußte, was ich zu tun hatte. Ich war nicht plump. Ich wußte …)
    Petra rieb sich über den Knöchel. »Nein«, sagte sie. »Mein Fuß geriet in eine Spalte, und dann rollte der Betonbrocken darüber.« Sie erhob sich und nahm das Notizbuch auf. »Au«, sagte sie, »das tut weh.«
    Arkor stützte sie. »Kannst du laufen?«
    »So einigermaßen.« Sie biß die Zähne zusammen und humpelte ein paar Schritte.
    »Alter sagt, daß du dein Gewicht auf das gesunde Bein verlagern und das kranke Bein schütteln sollst, bis die Blutzirkulation wieder einsetzt«, erklärte Arkor.
    Petra gehorchte und versuchte mit schmerzverzerrter Miene die nächsten Schritte. »Etwas besser«, stöhnte sie. »Ich habe Angst. Das tut wirklich verdammt weh. Vielleicht gehört dieser Körper nur scheinbar mir, aber er schmerzt wie mein eigener.« Plötzlich warf sie einen Blick auf die Stadt. »Oh, verdammt«, sagte sie. »Er ist da drinnen. Gehen wir.«
    Sie marschierten weiter, diesmal unterhalb der ansteigenden Straße. Die leeren grauen Bürgersteige glitten vorbei. Sie passierten ein Einkaufszentrum; in den Schaufensterrahmen steckte noch zerbrochenes Glas. Über ihnen kreuzten sich zwei Straßen. Die dunklen Balken hoben sich scharf von ein paar weißen Wolken ab.
    Dann ein Grollen.
    Stille.
    Nun ein Krachen, anhaltend, dröhnend. Staubgeruch wehte zu ihnen herüber. »Er ist da«, sagte Arkor.
    »Ja.« Jon nickte.
    »Ich kann …«
    Dann detonierte die Stadt. Einen Moment lang litt Jon echte Todesangst, als das Pflaster unter seinen Füßen nachgab und rings um ihn die Trümmer wirbelten. ( Nein, nein, ich bin eben erst Jon Koshar geworden. Ich darf nicht sterben … so wie ein verirrter Prinz vor einem halben Jahr und ein halbes Universum entfernt gerufen hatte.) Doch dann: Da …
    Petra sah einen Moment lang die Gebäudefront neben ihnen schwanken, dann riß ihr der Luftstrom das Notizbuch aus den Händen. Zugleich sammelten sich ihre Gedanken. Da …
    Und Arkors Gedanken (er sah die Detonation nicht, weil er im gleichen Moment blinzelte) strahlten durch seine Augen, während kleine Metallsplitter die Netzhaut durchdrangen. Da …
     
    Es war kalt, es war schwarz. Einen Moment lang sahen sie mit einer Spektrumskala, die von den gewaltigen Wellen der Novae bis zu dem hauchfeinen Zittern der Neutrinos reichte. Und es war schwarz und absolut kalt. Eine verdünnte Brise ionisierten Wasserstoffs (etwa zwei Teilchen pro Kubikrute) schwebte über ein halbes Lichtjahr hinweg. Einmal wurde sie von einer Herde blasser Photonen gekreuzt, die vom abgelenkten Glanz einer
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