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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme
Autoren: Samuel R. Delany
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der eine von zwei Männern, die sich etwas abgesondert hatten.
    »Wenn er es schafft, dann ist er der erste seit zwölf Jahren«, meinte der andere.
    »Weshalb haben es im vergangenen Jahr so viele versucht?«
    Der Mann lachte. Selbst in der schwachen Dämmerung konnte man die drei Narben sehen, die über seine Wange zum Hals hin verliefen. »Die Tetron-Aufträge wurden beinahe verdoppelt.«
    »Ich frage mich nur, was für Blutsauger das sind, die diese armseligen Kreaturen ausbeuten …« Er deutete auf die beiden Toten.
    »Die Hydroponik-Gärtner, die Aquarium-Hersteller«, erwiderte der Narbige. »Sie brauchen das Erz. Und dann bereitet sich Toron natürlich auf den Krieg vor.«
    »Es heißt, daß an der Küste die Bauern und Fischer dem Verhungern nahe sind, seit immer mehr Nahrungsmittel in Fabriken hergestellt werden. Und mit dem gesteigerten Tetronbedarf sterben die Bergleute hier wie die Fliegen. Manchmal frage ich mich, ob sie genug Gefangene haben, um die Lücken zu füllen.«
    »Es bereitet ihnen Schwierigkeiten«, sagte der andere. Dann rief er nach vorn: »He, werft sie hier hinunter, dicht vor die Hütten.«
    Der Regen hatte den Boden in Schlamm verwandelt. Zweimal hörte man einen dumpfen Aufschlag im Morgengrauen. »Vielleicht ist ihnen das eine Lehre«, meinte der erste.
    »Vielleicht.« Der Narbige zuckte mit den Schultern.
    Dann wandten sie sich wieder dem Dschungel zu.
     
    Bald durchdrangen Lichtstreifen die gelben Wolken und zwängten sich in alle Spalten und Ritzen. Gelbe Speere sanken in den üppigen Dschungel von Toromon, glitten an nassen grünen Farnstauden ab oder glitzerten in feuchten Felsnischen. Dann ergriff die Helligkeit das gewölbte Metallband über den Bäumen, und die Schattenmuster der gewaltigen Stützpfeiler fielen auf die zerwühlten Lavafelder, die hier und da den Wald unterbrachen.
    Flugzeuge in strenger Formation jagten durch ein Wolkenloch, wie eine Handvoll hochgeschleuderter Silbermünzen. Als das Summen ihrer Tetron-Antriebe durch die Baumkronen drang, streckte Quorl, der Dschungelwächter, seinen hünenhaften Körper und rollte sich herum. Blätter raschelten unter seiner Schulter. Instinktiv verkrampfte sich sein Magen. Aber schon herrschte wieder Stille. Mit großen gelbbraunen Augen betrachtete er das Wäldchen, in dem er die Nacht verbracht hatte. Seine breiten Nasenlöcher zuckten. Aber die Luft war rein, klar, ungetrübt. Über ihm glänzte das Metallband. Quorl sank zurück in die trockenen Blätter.
     
    Als das Morgenlicht durch den Dschungel sickerte, fing immer mehr von dem Metallband Feuer; schließlich zogen sich die Schatten auch von dem sichelförmigen gelben Streifen zurück, der das Meeresufer markierte. Unten am Strand, fünfzig Meter von dem letzten Stützpfeiler entfernt, der sich noch auf festem Land befand, trat Cithon, der Fischer, aus seiner Hütte. »Tel?« rief er. Er war ein gebräunter, drahtiger Mann, dessen Ledergesicht Sand und Wind gezeichnet hatten. »Tel?« rief er noch einmal. Dann ging er zurück in die Hütte. »Wo steckt der Junge nun wieder?«
    Grella hatte sich bereits an den Webstuhl gesetzt, und ihre starken Hände schoben das Schiffchen hin und her, während die Füße das Trittbrett bedienten.
    »Wohin ist er gegangen?« fragte Cithon.
    »Er verließ die Hütte sehr früh«, sagte Grella ruhig. Sie sah ihren Mann nicht an. Sie beobachtete das Schiffchen. Es flitzte hin und her zwischen den grünen und gelben Fäden.
    »Ich sehe selbst, daß er nicht hier ist«, entgegnete Cithon unwirsch. »Aber wohin ging er? Die Sonne steht am Himmel. Er sollte längst beim Boot draußen sein. Wann wird er zurückkommen?«
    Grella gab keine Antwort.
    »Wann wird er zurückkommen?«
    »Ich weiß nicht.«
    Draußen hörte man ein Geräusch. Cithon wandte sich rasch ab und trat vor die Schwelle.
    Der Junge beugte sich über den Wassertrog und wusch sich das Gesicht.
    »Tel.«
    Der Junge sah rasch zu seinem Vater auf. Er war etwa vierzehn, ein mageres Kind mit wuscheligem schwarzem Haar und Augen, die grün wie das Meer leuchteten. Angst stand jetzt in ihnen und machte sie groß.
    »Wo warst du?«
    »Nirgends«, murmelte Tel wieder. »Nur spazierengegangen …«
    Cithon hatte die Hand um den Gürtel gekrampft. Jetzt riß er sie hoch und wieder nach unten, und der Lederriemen klatschte über die nasse Schulter des Jungen.
    Man hörte nur, daß er tief Luft holte.
    »Und jetzt geh zum Boot hinunter.«
    In der Hütte ruhte das Webschiffchen einen
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