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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme
Autoren: Samuel R. Delany
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Kristallkugel von fünf Metern Durchmesser. Im Zimmer verteilt waren ein Dutzend verschieden große Tetrongeräte. Die Bildschirme zeigten ein stumpfes Grau. Unter dem reich verzierten Fenster stand ein Instrumentenpaneel. Alle neunundvierzig roten Schalter zeigten auf AUS. Die Metallgalerien entlang der Empfangsstation waren leer.
    In einem anderen Raum des Palasts jedoch hörte man jemanden schreien. »Tetron!«
    »… wenn Eure Majestät sich gedulden könnte, bis der Bericht zu Ende ist«, begann der greise Minister. »Ich glaube …«
    »Tetron!«
    »… dann würden Sie verstehen, weshalb ich Sie zu so früher Stunde wecke …«
    »Ich will nie wieder das Wort Tetron hören!«
    »Es …«
    »Gehen Sie, Chargill. Ich schlafe.« König Uske, eben erst einundzwanzig geworden, aber bereits seit dem siebten Lebensjahr als offizieller Herrscher von Toromon eingesetzt, schob den blonden Schopf unter die drei dicken Kissen; mit einer zerbrechlich dünnen Hand versuchte er die purpurnen Decken über sich zu ziehen.
    Der greise Minister packte ruhig den Zipfel der hermelingesäumten Bettdecke und hielt ihn außer Reichweite. Nach ein paar vergeblichen Versuchen, sich völlig zu verkriechen, tauchte der blonde König wieder auf. Er fragte mit kalter, ruhiger Stimme: »Chargill, weshalb wurden früher zu jeder Tages- und Nachtzeit Straßen errichtet, Gefangene begnadigt und Verräter gefoltert, ohne daß man sich auch nur die Mühe machte nach meiner Meinung zu fragen? Nun plötzlich …«
    Uske warf einen Blick auf die juwelengeschmückte Uhr neben seinem Bett. »Mein Gott, zehn Uhr morgens! Warum muß ich plötzlich zu jeder Kleinigkeit gehört werden?«
    »Erstens sind Sie jetzt volljährig«, erwiderte Chargill. »Zweitens sind wir im Begriff, den Krieg zu erklären, und in Zeiten der Spannung wird die Verantwortung immer an die nächsthöhere Stelle weitergegeben. Sie, Majestät, befinden sich in der ungünstigen Spitzenposition.«
    »Können wir diesen Krieg nicht endlich hinter uns bringen?« Uske rollte sich herum und sah Chargill halb versöhnt an.
    »Ich habe all diese Idiotie satt. Sie halten mich für einen schlechten König, nicht wahr?« Der junge Mann setzte sich auf und stellte die Füße auf den weichen Fellteppich. »Nun, wenn wir einen Krieg hätten …« Er fuhr sich mit der Hand unter den rosa Atlasschlafanzug und kratzte sich am Bauch. »Wenn wir einen Krieg hätten, würde ich in der vordersten Linie reiten, mit der prächtigsten Uniform, die Sie sich denken können, und meine Soldaten zu einem berauschenden Sieg führen.« Bei dem Wort »berauschend« zog er sich die Decken über den Kopf.
    »Eine lobenswerte Einstellung«, sagte Chargill trocken. »Und warum hören Sie sich nicht wenigstens den Bericht an, wenn beinahe feststeht, daß der Krieg noch am Nachmittag erklärt wird? Er besagt, daß eine weitere Aufklärerflotte bei dem Versuch, den Feind jenseits der Strahlungsbarriere zu beobachten, kampfunfähig gemacht wurde.«
    »Darf ich fortfahren? Niemand weiß, wie die Flugzeuge beschädigt wurden, aber die Wirksamkeit der feindlichen Abwehr hat den Rat dazu bewogen, die Möglichkeit eines offenen Krieges noch stärker als bisher ins Auge zu fassen. So lauteten doch die meisten Berichte der vergangenen Wochen.«
    »In der Tat«, entgegnete Chargill.
    »Weshalb belästigen Sie mich dann damit? Übrigens, müssen wir wirklich zu dem idiotischen Fest gehen, das dieser dämliche Fischhändler für seine Tochter gibt? Antworten Sie, ohne das Wort Tetron zu erwähnen.«
    Geduldig sagte Chargill: »Darf ich Sie daran erinnern, daß eben dieser dämliche Fischhändler durch die richtige Ausnutzung des unaussprechlichen Metalls ein Vermögen angesammelt hat, das sich durchaus mit dem königlichen Schatz messen kann? Wenn es zum Krieg kommt und wir Kapital in Anspruch nehmen müssen, dann sollte der Kapitalgeber dem Königtum möglichst positiv gegenüberstehen. Deshalb werden Sie das Fest besuchen, zu dem er Sie so freundlich eingeladen hat.«
    »Hören Sie mir einen Moment lang zu, Chargill«, sagte Uske. »Und ich meine es jetzt völlig ernst. Dieser ganze Krieg ist einfach lächerlich, und wenn Sie erwarten, daß ich ihn ernst nehme, dann müssen Sie dafür sorgen, daß auch der Rat ihn ernst nimmt. Wie können wir Krieg gegen irgend jemanden jenseits der Strahlungsbarriere führen? Wir wissen nicht, was hinter dieser Grenze liegt. Ist es ein Land? Eine Stadt? Ein Reich? Wir wissen nicht einmal, ob es
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