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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme
Autoren: Samuel R. Delany
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Geräusch hörte, flüchtete er hinter eine Marmornymphe, die mit einer Girlande aus Seetang spielte.
    Der alte Mann, der an ihm vorüberging, trug eine Akte und sah geistesabwesend vor sich hin.
    Jon wagte nicht zu atmen. Nach einer Weile kam er aus seinem Versteck und lief geduckt den Korridor entlang. Schließlich stand er vor einer Reihe von Türen. »Welche?« fragte er.
    Diesmal hatte er offensichtlich eine Antwort bekommen, denn er öffnete eine der Türen und schlüpfte hinein.
     
    Uske hatte sich die Seidendecke über den Kopf gezogen. Er hörte hin und wieder ein leises Klicken und Rascheln, aber die Geräusche drangen nur verschwommen durch die Müdigkeit, die ihn nach Chargills Weggehen erneut ergriffen hatte. Das erste deutliche Geräusch war das Plätschern von Wasser. Er hörte es etwa zwei Minuten lang, bis es ihn aus dem Halbschlaf schreckte. Erst als es wieder verstummt war, schob er stirnrunzelnd die Decke zurück und setzte sich auf. Die Tür zu seinem Privatbadezimmer stand offen. Es brannte kein Licht, aber jemand beendete eben sein Bad. Die Fenster seines Schlafzimmers waren von schweren Vorhängen verhüllt. Er zögerte immer noch, das grelle Sonnenlicht hereinzulassen.
    Die Ringe des Duschvorhangs rasselten über die Messingstange; der Handtuchhalter bewegte sich quietschend; Stille; dann pfiff jemand leise vor sich hin. Plötzlich sah Uske, daß sich auf dem breiten Fellteppich, der den schwarzen Steinboden bedeckte, dunkle Flecken bildeten. Einer nach dem anderen – Fußspuren! Nur die Spuren, keine Füße. Sie kamen langsam näher.
    Als sie etwa einen Meter von seinem Bett entfernt waren, drückte er angstvoll auf den Knopf, der automatisch die Vorhänge zurückschob. Sonnenlicht floß wie helles Wasser in sein Schlafzimmer.
    Und in der letzten Fußspur stand mit einem Mal ein nackter Mann. Als der junge König sich in die Kissen warf und schreien wollte, sprang der Fremde ihn an und schob ihm die Handkante zwischen die Zähne. Uske biß zu, traf aber nur das empfindliche Fleisch der eigenen Wangenhöhlen.
    »Willst du wohl stillhalten, Schwachkopf?« flüsterte eine Stimme hinter ihm. Der König verkrampfte sich vor Angst. »So – einen Augenblick noch.«
    Eine Hand schob sich an Uskes Schulter vorbei, drückte auf den Knopf am Nachttisch, und die Vorhänge schlossen sich wieder. Die Hand erlosch wie eine Kerzenflamme.
    »Rühr dich nicht – und wehe, du schreist.«
    Der Druck verschwand, und der König merkte, daß seine Matratze leicht nach oben federte. Einen Moment lang blieb er ganz still liegen. Dann wirbelte er herum. Er sah niemanden. »Wo bewahrst du deine Kleider auf? Du hast etwa meine Größe.«
    »Im Ankleideraum – dort drüben.«
    Die körperlosen Spuren tappten über den Fellteppich. Die Tür zum Ankleidezimmer ging auf. Bügel wurden hin und her geschoben. Jemand klappte den großen Spiegel der Kommode auf. »Großartig. Ich dachte nicht, daß ich je wieder anständige Kleider tragen würde. Einen Moment noch.«
    Das Geräusch von zerreißendem Faden.
    »Die Jacke paßt ausgezeichnet, wenn ich die Schulterpolster entferne.«
    Etwas kam aus der Kammer – angekleidet. Eine menschliche Gestalt ohne Kopf und Hände.
    »So, nun bin ich ein schönerer Anblick; du kannst das Licht hereinlassen.« Der Anzug wartete. »Nun mach schon, öffne die Vorhänge.«
    Langsam drückte Uske auf den Knopf. Ein frisch rasierter junger Mann mit dunklem Haar stand im Sonnenlicht und betrachtete seine Manschetten. Ein offenes Brokatjäckchen mit feinen Metallverzierungen saß über einem weißen Seidenhemd mit gerüschtem V-Ausschnitt. Die enge graue Hose wurde von einem schwarzen Ledergürtel mit Goldschnalle festgehalten. Auch die an den Zehen und Fersen offenen Stiefel trugen Goldverzierungen. Jon Koshar sah sich um.
    »Schön, wieder daheim zu sein.«
    »Wer – was bist du?« flüsterte Uske.
    »Ein treuer Untertan der Krone, du geistiger Kleingärtner«, sagte Jon.
    Uske schnappte nach Luft.
    »Denke fünf Jahre zurück. Damals gingen wir zusammen in die Schule.«
    Erkenntnis dämmerte in dem blutleeren Gesicht.
    »Erinnerst du dich an den Jungen, der ein paar Klassen über dir war und dich vor einer Schlägerei rettete? Damals hattest du absichtlich eine Hochfrequenzspule zerstört, und deine Kameraden aus dem Physik-Kurs wollten es dir heimzahlen. Und erinnerst du dich, daß du den gleichen Jungen dazu herausgefordert hast, ins Schloß einzubrechen und das königliche Wappen aus
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