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Mordsschnellweg: Kriminalstorys

Mordsschnellweg: Kriminalstorys

Titel: Mordsschnellweg: Kriminalstorys
Autoren: Leo P. Ard , Reinhard Junge
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Leo P. Ard :

Tödliche Dosis

    Der Mörder ist immer der Gärtner – Teil 1

     
    1

    Es war ein schöner Samstagabend. Der Sonnenuntergang glühte rot und erinnerte an früher, als der Abstich auf der Hütte den Dortmunder Abendhimmel erleuchtete. In Lewandowskis Garten floss das Bier durch die ausgetrockneten Kehlen der Schreber wie einst der Stahl in die Gießpfannen. Nichts deutete darauf hin, dass in der Gartenanlage Zum tollen Bomberg an diesem Abend ein Mord geschehen würde.

    Erwin Farle, Ede Rodenstedt und Philip Kroll waren direkt von Borussia gekommen, durstig und verärgert. Die Schwarz-Gelben hatten zwei Tore zu viel kassiert – und das ausgerechnet von den Lahmärschen aus Bochum.
    Nach dem ersten Liter erlahmte die Spielkritik und wurde von Erinnerungen an früher abgelöst. Schütz und Konietzka, Emmerich und Libuda. Und dann das 11:2 gegen den TSV aus Marl-Hüls, damals, als Reinhold Wosab sein erstes Spiel in der Kampfbahn Rote Erde machte …
    Für die Frauen war die Stunde weniger beschaulich. Friedchen Schnell wischte den verstaubten Tapeziertisch ab und zurrte die Blümchendecke aus Plastik fest. Eva Kroll schleppte ein übervolles Tablett heran und wuchtete es auf den Tisch. Else Lewandowski verteilte die Teller und Schälchen mit der unbeirrbaren Geduld, die den Ordnungssinn deutscher Kleingärtnerfrauen auszeichnet: In die Mitte kamen die Käse- und Wurstschnittchen, gespickt mit Gürkchen und Radieschen. Daneben die Schälchen mit den Cocktailwürstchen und Silberzwiebeln. Rechts der Kräuterquark und die Folienkartoffeln, links Senf, Ketchup und Gewürze. Schwierigkeiten machte nur der Apfelkuchen, den Edeltraut Dröse vorbeigebracht hatte, bevor sie nach Teneriffa abgedüst war. Er passte erst auf den Tisch, nachdem der Schnittchenteller bereit war, seinen Platz in der Mitte mit ihm zu teilen.

    Lewandowskis Garten war der ideale Ort für das Sommerfest: so groß wie ein Tennisplatz und schmuck wie die Bundesgartenschau. Überhaupt: Die ganze Anlage konnte sich sehen lassen. Nicht nur wegen der üblichen Gummireifen, die als Blumenrabatten herhalten mussten, wegen der Gartenzwerge und der beliebten Schubkarren mit dem Immergrün. Am Eingang dominierte eine gewaltige Lore, die statt Kohlen und Abraum nun Nelken beheimatete. In Schnells Erdbeerbeet schreckte ein hell glänzender feuerfester Stahlkochermantel auch die frechsten Drosseln ab. Und die Pergola vor dem Steinhäuschen der Lewandowskis war aus bestem Ruhrstahl geschmiedet – er würde dem Wilden Wein auch in fünfzig Jahren noch eine wetterfeste Stütze sein.

    All dieser Zierrat gehörte in diese Gartenanlage wie die Halsglocke zu einer bayrischen Milchkuh. Denn Hörde – das war die Wiege der Dortmunder Stahlindustrie. Schon 1837 war auf der Hermannshütte das erste Erz geschmolzen worden.

    »Die Rippchen sind gut«, rief Fritz Schnell und hielt zum Beweis ein von Fett triefendes Stück Fleisch in den Hörder Abendhimmel. Die ansehnlichen Fleischstücke hatte das Ehepaar Farle beigesteuert, das ganz in der Nähe eine Metzgerei betrieb (Farle – wenn’s um die Wurst geht).
    Der ehemalige Stahlkocher Schnell hatte sich selbstverständlich für den Dienst am Grill einteilen lassen. Routiniert würzte und löschte er Fleisch, Wurst und seinen Durst mit dem berühmten Stifts-Pils aus Hörde.
    »Es sind zwar noch nicht alle da«, rief Mutter Lewandowski in die Runde und klirrte mit den Gläsern, »aber wir fangen schon mal an.«
    »Das sieht aber gut aus!«, freute sich Trude Farle und stürzte sich auf die Käsehappen mit Weintrauben.
    Kauend sah sich Horst Lewandowski um und musterte die Gäste: Schnells hatten ihren kleinen Enkel mitgebracht, Farles eine selbst gemachte Bowle, Klaus Drewniak seine neue Motorradjacke. Auch die hübsche Jutta Röttger war da – zum ersten Mal nicht in Schwarz, seit ihr Stefan die Kurven unterhalb der Hohensyburg mit dem Nürburgring verwechselt hatte. Der hinkende Ede Rodenstedt war ausnahmsweise nüchtern und Metin Demir wieder ohne seine Frau, dafür aber mit einem Appetit, wie ihn nur Leute mit gesundem Magen entwickeln.

    Wenn frohe Reden sie begleiten, gehen die Schnittchen munter fort: Erwin Farle schimpfte noch immer über den verschossenen Elfmeter, Ede Rodenstedt hielt zum fünften Male in diesem Sommer ganz allein die russischen Panzerverbände bei Kiew auf und Lutz Krämer schwärmte davon, einigen »Raudies« von der Wellinghofer Straße die Hammelbeine lang zu ziehen. Dabei war
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