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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme
Autoren: Samuel R. Delany
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zu entfliehen und schaffte es nicht. Sie zog sich zu einer kleinen Kugel mit dem Volumen 4/3 pi zusammen und verschwand.
    Da …
     
    Jon Koshar schüttelte unsicher den Kopf und tat ein paar Schritte. Er fiel vornüber in den weißen Sand. Er blinzelte.
    Er öffnete die Augen. Er sah zwei Schatten vor sich. Dann erkannte er die Stadt.
    Es war Telphar, mitten in der Wüste, unter einer Zwillingssonne. Die Transitschleife erhob sich auf zwölf Strebepfeilern. Der dreizehnte war gebrochen.
    Als er sich erhob, sah er im Augenwinkel eine Bewegung. Er drehte sich um. Fünf Meter neben ihm stand eine Frau. Das rote Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Er blinzelte, als sie näherkam. Sie trug einen schlichten Rock und hatte ein Notizbuch unter dem Arm. »Petra?« fragte er stirnrunzelnd. Es war Petra, aber eine veränderte Petra.
    »Jon«, entgegnete sie, »was ist mit dir geschehen?«
    Er sah an sich herunter. Er trug eine zerrissene, schmutzige Uniform. Seine Gefängniskleidung!
    »Arkor«, sagte Petra plötzlich. (Ihre Stimme war heller und nicht so selbstsicher wie sonst.)
    Sie drehten sich um. Arkor stand im Sand, die Füße gespreizt. Blut drang aus drei frischen Wunden an seiner Wange.
    Sie standen jetzt nebeneinander. »Was ist los?« fragte Jon.
    Arkor zuckte mit den Schultern.
    »Wo sind die Kinder?« wollte Petra wissen.
    »Noch hier.« Arkor tippte sich mit dem Finger an seine Stirn und grinste. Dann streifte er die offene Wunde. Er betrachtete kopfschüttelnd das Blut. Dann warf er einen Blick zur Stadt hinüber. Die Sonne verfing sich auf den Türmen und floß hell über die Straßen und Verbindungsbrücken. »He«, sagte Jon zu Petra. (Er erkannte nun, daß sie ein paar Jahre jünger war.) »Was soll das Notizbuch?«
    Sie merkte erst jetzt, daß sie es bei sich hatte. Dann warf sie einen Blick auf ihr Kleid. Sie lachte. Dann blätterte sie das Buch durch. »Hier habe ich meinen Artikel über die Schutzhütten-Architektur des Dschungelvolkes fertiggeschrieben. Und genau dieses Kleid trug ich, als ich ihn beendete.«
    »Und du?« fragte Jon Arkor.
    Arkor wischte sich das Blut vom Finger. »Meine Wunde blutet wie in jener Nacht, als der Priester mich kennzeichnete.« Er machte eine Pause. »In jener Nacht wurde ich der Arkor von heute. Ich erkannte, wie die Welt wirklich war – die Verwirrung, die Dummheit, die Angst. In jener Nacht beschloß ich, den Dschungel zu verlassen.« Er sah Jon an. »Und du hast diese Uniform getragen, als du aus dem Gefängnis flohst.«
    »Ja«, sagte Jon, »ich glaube schon. Auch ich fand bei meiner Flucht zu mir. Die Freiheit lag leuchtend vor meinen Augen.«
    Er machte eine Pause. »Ich wollte sie erreichen, um jeden Preis. Nur hatte ich irgendwie das Gefühl, daß ich vom Wege abgeriet.«
    »Ja?« fragte Petra. Sie sah zur Stadt hinüber. »Wahrscheinlich entwickelte sich meine Persönlichkeit damals, als ich den Artikel beendete. Ich machte ganz neue Entdeckungen über mich und die Gesellschaft, über meine Gefühle hinsichtlich der Gesellschaft, über mein Leben als Aristokratin, und so fort. Wahrscheinlich bin ich deshalb jetzt hier.« Wieder sah sie zur Stadt. »Dort ist er«, meinte sie.
    »Stimmt«, sagte Jon.
    Sie gingen durch den Sand auf den Schatten der zerstörten Transitschleife zu. Sie erreichten sie schneller, als sie gedacht hatten, denn der Horizont war sehr nahe. Die Doppelschatten, einer etwas länger als der andere, lagen wie Tuschestriche über der Wüste. »Aber wie kommt es, daß wir unsere eigenen Körper besitzen?« fragte die Herzogin, als sie den Schatten des ersten Pfeilers erreichten. »Sollten wir nicht die Form …«
    Plötzlich hörten sie ein Geräusch, und der Schatten bewegte sich. Jon warf einen Blick zur Transitschleife hinauf und stieß einen Schrei aus.
    Als das Metall brach, sprangen sie zurück. Eine Sekunde später schlug es da zu Boden, wo sie gestanden hatten. Schweigend sahen sie einander an.
    »Du hast verdammt recht, daß er hier ist«, sagte Jon. »Kommt.«
    Sie gingen weiter. Petra schüttelte weiße Staubkörner vom Umschlag ihres Notizbuchs. Sie marschierten über den weißen Sand. Eine Straße zeichnete sich jetzt in der Wüste ab. Sie führte im hohen Bogen nach Telphar. Die drei Menschen folgten ihr. Am strahlendblauen Himmel zeichneten sich die Türme der Stadt wie dunkle Striche ab.
    »Eigentlich ist Petras Frage berechtigt«, meinte Arkor ein paar Minuten später.
    »Ja.« Jon nickte. »Ich habe auch darüber nachgedacht.
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