Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch
Autoren: Lisa Papademetriou
Vom Netzwerk:
ihren dunklen Augen an. »Dein Vater könnte gut deine Hilfe gebrauchen. Humberto hat nämlich heute keine Zeit.«
    Will schob sich eine Gabel voll Ei in den Mund. Sich mit seiner Mutter anzulegen hatte sowieso keinen Sinn.
    »Aber jetzt ist Bert doch gerade nicht hier«, mischte sich Zoe ein.
    Mrs Archer wandte ihren durchdringenden Blick von Will ab und sah Zoe an. »Ich habe ja gar nicht mitbekommen, dass du schon im Lande bist.«
    »Bin ich – tadaa!«, trällerte Zoe. Sie holte die Kaffeekanne, um für Wills Mutter eine Tasse des frisch gebrühten schwarzen Getränks einzugießen. »Er meinte, er wolle in die Stadt fahren, um den Traktor reparieren zu lassen und wäre in ein paar Stunden wieder zurück.« Sie reichte Mrs Archer ihre Lieblingstasse.
    Wills Mutter nickte dankbar und nahm einen großen Schluck Kaffee. »Hmm – bei mir wird der nie so gut.« Schwerfällig ließ sie sich auf den Stuhl fallen. Das Korbgeflecht ächzte unter ihrem Gewicht. Dabei ließen ihre hohen Wangenknochen und feinen Gesichtszüge noch immer erahnen, was für eine Schönheit Wills Mutter früher einmal gewesen war. Doch diese Zeiten waren längst vorbei. Im Laufe der Zeit, besonders im vergangenen Jahr, hatte ihr Umfang in beängstigendem Maße zugenommen. Anstelle der vormals langen Haare trug sie nun einen praktischen Kurzhaarschnitt und auch ihre längst verblassten Strähnchen ließ sie nicht mehr auffrischen. Hinzu kam, dass sie meistens in Shorts und ausgeleierten, farblosen T-Shirts herumlief. Es wirkte fast so, als wolle sie sich unsichtbar machen.
    Zoe zog überrascht eine Augenbraue hoch und sah fragend zu Will hinüber, der auf seinem letzten Stück gebratenen Speck herumkaute.
    »Was hast du da eigentlich mit deinem Gesicht angestellt?«, fragte Mrs Archer.
    »Wieso, was ist denn mit meinem Gesicht?« Zoe strich sich verwundert über die Wange.
    »Sie meint das Nasenpiercing«, übersetzte Will für sie.
    »Hast du das etwa noch gar nicht gesehen?« Zoe warf ihre blonden Haare zurück und hielt den Kopf so, dass Mrs Archer einen besseren Blick auf den winzigen glitzernden Saphir auf ihrem rechten Nasenflügel werfen konnte. »Das habe ich mir stechen lassen, als wir letztes Jahr in Indien waren. Das ist dort so Brauch.« Sie warf Mrs Archer ein schelmisches Grinsen zu und knuffte sie in die Seite. »Du solltest dir auch eins machen lassen, Evelyn. Oder vielleicht ein Augenbrauenpiercing – die sind zurzeit total in.«
    Mrs Archer schnaubte nur und verdrehte die Augen.
    »Na ja, auf jeden Fall wärst du zweifellos das Gesprächsthema Nummer eins im Ort«, neckte Zoe sie weiter.
    »Ich bin bereits das Gesprächsthema Nummer eins«, gab Mrs Archer schnippisch zurück und nahm noch einen großen Schluck Kaffee.
    Betretenes Schweigen trat ein.
    »Tja, dann«, sagte Will schließlich und wischte mit der Toastrinde noch den Rest Ei vom Teller. »Es war ja echt toll mit euch, aber ich werde dann wohl mal …«
    »Will wollte mich in die Stadt begleiten«, verkündete Zoe und ließ das Geschirrtuch vielsagend gegen Wills Stuhllehne klatschen. »Ich muss noch ein paar Dinge besorgen. In Ordnung, Evelyn?«
    Als Antwort zuckte Wills Mutter nur mit den Schultern. »Frag lieber mal deinen Vater, weshalb er sich hier eigentlich nicht mehr blicken lässt.«
    »Er lässt euch zumindest alle herzlich grüßen«, entgegnete Zoe, die bereits mit Will auf dem Weg zur Tür war.
    »Du bist mit dem Auto hier?«, fragte Will, als er ihren Wagen in der Einfahrt stehen sah.
    »Na, ich wusste doch, dass wir noch woandershin fahren würden und ich habe beim besten Willen nicht vor, mich auf deinen Gepäckträger zu hocken.«
    »Du wusstest, dass wir noch woandershin fahren würden?«, wunderte sich Will.
    »Ja, weil ich einen Riesenappetit auf Eis habe. Und du wirst mich begleiten.«
    »Wieso hast du denn nicht einfach gefrühstückt?«
    »Hab ich doch – um acht Uhr, wie jeder andere vernünftige Mensch. Und jetzt wird’s eben Zeit für ein Eis.« Zoe zog ihn zu dem zerbeulten, orangefarbenen Gremlin, mit dem sie die Straßen unsicher machte. Das Ding sah uralt aus und fuhr sich auch genauso. Sie nannte den Wagen scherzhaft »Schlagloch-Detektor«, denn davon ließ er nie eines aus.
    »Du kannst wirklich von Glück sagen, dass meine Mutter dich mag«, bemerkte Will trocken, als Zoe losfuhr und der Kies dabei in alle Richtungen spritzte.
    »Ich bin die durchgeknallte Tochter, die sie nie haben wollte«, konterte Zoe.
    Will lachte. »Genau,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher