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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch
Autoren: Lisa Papademetriou
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der Wanduhr.
    »Ganz schön spät«, bemerkte sie.
    Will nickte. »Fast schon wieder früh.«
    »Deine Mom wird außer sich sein.«
    »Meinen Dad habe ich schon angerufen. Ich musste ihm doch das mit Guernsey sagen …«
    Zoe musste an die heldenhafte Hündin denken. »Arme Guernsey.« Sie legte ihre Hand auf die von Will.
    Wills Kinn zitterte leicht. »Sie war ein tapferes altes Mädchen.«
    »Da hast du recht.«
    Will räusperte sich. »Mein Dad wird sich darum kümmern, dass sie anständig begraben wird. Und er meinte auch, dass er Mom beruhigen würde. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass sie morgen früh mit einem großen Korb voller frisch gebackener Scones hier auf der Matte steht, also halt dich mit dem Krankenhausessen lieber noch etwas zurück.«
    »Deine Eltern sind echt süß«, meinte Zoe.
    »Ja, findest du wirklich?«, fragte Will erstaunt.
    »Klar … du etwa nicht?« Zoe legte ihren Kopf schief. »Ich meine, sie bemühen sich doch wirklich, gut für dich zu sorgen. Deine Mom verliert jedes Mal fast die Nerven, wenn du das Haus verlässt, weil sie Angst hat, dir könnte etwas Schlimmes zustoßen. Und dein Dad rackert sich mit der Farm ab, weil er möchte, dass du dein College frei wählen kannst.«
    »Der rackert nur so viel für sein geliebtes Geld.«
    »Wegen des Geldes? Bist du dir da so sicher? Wenn er mehr Geld wollte, könnte er eure Farm verkaufen und sich als Millionär zur Ruhe setzen.«
    »Na ja, vermutlich könnten sie das tatsächlich, nur …« Will sah nachdenklich aus. »Mein Bild von ihnen ist eben total anders.«
    Einen Moment lang saßen sie schweigend beieinander.
    Schließlich holte Zoe tief Luft und stellte die entscheidende Frage, die schon die ganze Zeit wie ein Damoklesschwert über ihr gehangen hatte. »Ist Asia …?« Die Worte hingen in der Luft und warteten auf Antwort.
    »Fort«, sagte Will.
    »Das tut mir so leid.«
    Will nickte nachdenklich. »Ich könnte mir vorstellen, dass sie … erleichtert ist.« Dennoch hatte er Tränen in den Augen. »Ich glaube, sie sind alle fort. Sogar Kirk dürfte sie jetzt eigentlich nicht mehr hören.«
    »Was ist denn überhaupt passiert?«, fragte Zoe.
    Will blickte ihr forschend ins Gesicht. »Das weißt du nicht mehr?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann mich noch an diese … Dinger … erinnern und dass Asia auch dort war. Aber was dann kam …«
    Wills Miene war undurchdringlich. »Es gab …« Er wartete lange, eh er weitersprach, so als wollte er seine Worte genauestens abwägen. »In der Bucht ist Treibstoff ausgelaufen. Und dann hat er sich – entzündet.«
    »Wie konnte das denn passieren?«
    Will biss sich um Worte ringend auf die Lippen und sagte schließlich zögernd: »Wahrscheinlich eine Stromleitung oder so.«
    Zoe heftete ihren Blick auf die hellblaue Bettdecke, die auf ihrer Hüfte lag. »Will«, sagte sie dann. »Ich muss dir etwas sagen.« Sie sah ihm geradewegs in die Augen. »Will, ich war dabei, in der Nacht, als Tim starb.« Die so lange zurückgehaltene Wahrheit strömte aus ihr heraus wie Eiter aus einer offenen Wunde. Sie hatte Angst vor seiner Reaktion.
    Will fasste sich an die Schläfen. Er seufzte tief, dann fuhr er sich mit den Händen durchs Haar. »Ich weiß«, sagte er dann.
    »Du … weißt es?«, wiederholte Zoe ungläubig. »Woher?«
    »Na, weil – es muss so gewesen sein. Jemand hat mich ans Ufer gezogen. Wer sonst sollte das gewesen sein?«
    Zoe legte ihre Hand auf die Stirn. »Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern.«
    »Weißt du denn noch, weshalb du mich gerettet hast?«, hakte Will weiter nach. »Weshalb ausgerechnet mich und nicht Tim?«
    Diese Frage traf Zoe bis ins Mark. »Weil ich …« Sie schluckte und bemühte sich, eine Antwort über die Lippen zu bringen.
    Will beobachtete sie. Ihr war durchaus bewusst, wie sehr er eine Antwort brauchte. Am Ende jedoch konnte sie sich einfach nicht überwinden, es ihm zu sagen – ihm zu sagen, dass sie ihn immer seinem Bruder vorgezogen hätte. »Ich weiß es auch nicht«, sagte sie stattdessen. »Vielleicht, weil für ihn eh jede Hilfe zu spät kam.«
    Will nickte. »Weißt du, Asia hat mir erzählt, dass die Seekrieger besonders von Menschen angezogen werden, die wütend oder traurig oder von sonst einem finsteren Gefühl erfüllt sind. Also, weshalb haben sie sich Tim geholt?« Zoe dachte zurück an das Gespräch, das sie wenige Stunden vor seinem Verschwinden mit Tim geführt hatte. Tim hatte ihr seine Liebe gestanden. Sie hatte
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