Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch
Autoren: Lisa Papademetriou
Vom Netzwerk:
sogar hier im Sommerhaus Jacken an der Garderobe hängen und kuschelige Decken auf den Sofas liegen. »Man weiß ja nie«, pflegte Johnny stets zu sagen. Im Gegensatz zu Zoe war er äußerst kälteempfindlich.
    Zoe nahm am Esstisch Platz, während ihr Vater zum Schrank ging. Sie ließ ihren Blick durch die behagliche Küche schweifen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie das ganze Jahr über hier leben können. Dieser Gedanke hatte etwas Tröstliches … insbesondere jetzt, wo es ganz danach aussah, als würde ihnen demnächst so oder so nichts anderes übrig bleiben.
    Johnny stand mitten im Raum und starrte die Küchenschränke an. In seiner Miene spiegelte sich völlige Ratlosigkeit.
    »Ganz kalt«, sagte Zoe.
    »Was? Dir? Immer noch?«
    »Nein, aber der Schrank da ist ganz kalt«, erwiderte sie.
    Johnny strich über das Muttermal an seiner Schläfe und sah sie fragend an.
    »Na, das ist der falsche Schrank«, klärte Zoe ihn auf. »Eiskalt.«
    Johnny machte einen Schritt nach rechts.
    »Schon wärmer.«
    Noch ein Schritt.
    »Ja, noch wärmer. Fast schon heiß.«
    Johnny öffnete die Schranktür und kramte im mittleren Regal, bis er das Kakaopulver in den Händen hielt. An die Arbeitsplatte gelehnt las er aufmerksam durch, was hinten auf der Packung stand. »Das hier nimmt man aber zum Backen«, meinte er.
    Zoe seufzte. »Gib her, ich mach das schon.«
    »Ich werd ja wohl noch selbst einen heißen Kakao hinbekommen!«, protestierte Johnny.
    »Schon klar.« Zoe verdrehte genervt die Augen und ließ die Decke von ihren Schultern fallen. »Genauso wie die Grillhähnchen neulich, was?«
    »Der Typ von der Feuerwehr hat gesagt, dass so etwas jedem mal passieren kann«, verteidigte sich ihr Vater, als sie ihm das Kakaopulver aus der Hand nahm.
    Jeder, der Johnny kannte, wusste, dass Kochen nicht gerade zu seinen Stärken zählte. Als Yvonne, Zoes Mutter, noch den Kochlöffel geschwungen hatte, hatte es stets die tollsten Feinschmeckermenüs gegeben, doch seit ihrem Auszug kam zu Hause nur noch Tiefkühlpizza oder Essen vom Chinesen auf den Tisch. Zoe machte das nichts aus, sie hatte noch nie besonders viel für ausgefallenes Essen übriggehabt.
    »Ach, das war bestimmt nur irgend so ein Johnny-Ellis-Fan«, konterte Zoe, öffnete eine Schranktür und holte einen Topf und einige Messlöffel heraus. »Der wollte eben nett sein.«
    »Als ob es Johnny-Ellis-Fans gäbe!«, wandte ihr Vater ein. »Studiomusiker haben doch gar keine Fans.«
    »Ach, komm schon!« Die Milch simmerte leise im Topf vor sich hin. »Es ist ja nicht gerade ein Geheimnis, mit wem du schon alles im Studio gearbeitet hast. Die hoffen doch nur, dass hier eines Tages ’ne große Poolparty steigt, zu der ihre ganzen Lieblingsrockstars eingeladen sind.«
    »Tja, also …« Johnny strich sich über den Bart und tat so, als müsste er nachdenken. »Dazu bräuchten wir einen Swimmingpool … und … ich ein paar Freunde …«
    Zoe ließ den Zucker gleichmäßig in die Milch rieseln. Der heiße Kakao begann zu dampfen und sie goss ihn vorsichtig in zwei Tassen.
    »Was ist das denn?«, fragte Johnny, als sie ihm seine Lieblingstasse mit der Aufschrift Bester Dad der Welt reichte.
    Zoe legte den Kopf schief und warf ihm einen amüsierten Blick zu. »Das hier, Dad, ist Kakao.«
    Johnny verdrehte die Augen. »Ja, schon klar«, sagte er und pustete auf das dampfende Getränk. »Ich bin ja nicht total bescheuert. Ich meinte das Lied, das du da gerade vor dich hin gesummt hast.«
    Zoe hielt verwundert in ihrer Bewegung inne. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie gesummt hatte. »Weiß ich auch nicht«, sagte sie.
    »Kannst du es noch mal für mich summen?«
    Zoe machte einen Versuch, doch die Melodie war wie Sand, der ihr durch die Finger rann. »Ich krieg’s nicht mehr zusammen.«
    »Tja.« Johnny zuckte mit den Schultern. »So ein Pech aber auch, damit hättest du mich glatt zum Millionär machen können.«
    »Dann eben beim nächsten Mal«, sagte Zoe und wusste selbst nicht, was sie damit eigentlich meinte. Welches nächste Mal?
     
    Will blickte aus dem Fenster, während der Regen unaufhörlich gegen die Scheibe trommelte. Obwohl es bereits nach Mitternacht war, fand er keinen Schlaf. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken und Bilder durcheinander. Dieses Mädchen mit den grünen Augen wollte ihm einfach nicht aus dem Sinn gehen. Wenn er seine Augen schloss, sah er ihre ganz deutlich vor sich, leuchtend grün und von einer Intensität, die eine nahezu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher