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«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

Titel: «Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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Diatribe vor Voltaires Augen ins Feuer geworfen.
    Voltaire konnte sich in diesem Moment an keine schlimmere Demütigung erinnern.
     
    Allerdings – Voltaire hatte die Diatribe ohne königliche Druckgenehmigung schon drucken lassen und genügend Exemplare nach Sachsen expediert.
    Als Friedrich erfuhr, daß die Diatribe bereits gedruckt war, ließ er die Exemplare, die in der Druckerei zu finden waren, beschlagnahmen.
    Friedrich befahl, das Buch zu zerreißen und öffentlich zu verbrennen.
    So geschah es.
    Am Weihnachtstag 1752 wurde die Diatribe auf dem Berliner Gendarmenmarkt dem Feuer übergeben.
    In der Spenerschen Zeitung vom 26. Dezember stand zu lesen:
     
«Nachmittags ward auf den vornehmsten Plätzen dieser Residenzien eine schändliche Lästerschrift, die den Titel Diatribe führt, für deren Verfasser man den Herrn Voltaire hält und welche wider den Präsidenten der Akademie, Herrn von Maupertuis, gerichtet ist, durch die Hände des Henkers öffentlich verbrannt.»
     
    Voltaire sagte über Friedrich:
     
«… da seine Devise war: Nur keinen Lärm, es sei denn, ich mache ihn selber –, ließ er alles, was über diese Sache geschrieben worden war, verbrennen, ausgenommen seine eigene Schrift.»
     
    Voltaire war in Gefahr. Er wollte fort.
     
«Ich denke nur daran, ehrlich zu desertieren.»

8.
    Am 1. Januar 1753 schickte Voltaire seinen Orden und seinen Kammerherrn-Schlüssel an Friedrich zurück. Aber schon in der nächsten Stunde kam Friedrichs Vertrauter und Geheimer Kämmerer, Michael Fredersdorf, und gab Voltaire Orden und Schlüssel wieder.
     
Friedrich «unternahm alles, um mich zu halten … Der König wünschte, daß ich mit ihm soupierte; so hatte ich ein letztes Damokles-Souper. Danach zog ich ab mit dem Versprechen wiederzukommen und mit dem festen Vorsatz, ihn in meinem Leben nicht wiederzusehen.»
     
    Voltaire wollte einen würdigen Abschied. Nicht nach Flucht oder Entlassung sollte es aussehen. Er bat Friedrich um Urlaub für eine Kur in Plombières.
    Am 16. März Friedrichs letztes Wort:
     
«Es war nicht nötig, daß Sie Ihr Bedürfnis nach einer Brunnenkur in Plombières vorschützten, um Ihren Abschied von mir zu erbitten. Sie können meinen Dienst verlassen, wann Sie wollen, aber lassen Sie mir vor Ihrer Abreise Ihren Dienstvertrag, Kreuz und Schlüssel und den Gedichtband zurückbringen, den ich Ihnen anvertraute.»
     
    Am 26. März reiste Voltaire von Berlin nach Leipzig.
    Den Orden Pour le mérite, den Kammerherrn-Schlüssel, vertrauliche Briefe Friedrichs und einen friderizianischen Gedichtband hatte er behalten. Diesen Gedichtband hatte Friedrich 1752 für den engsten Kreis seiner Vertrauten drucken lassen. Voltaire meinte, der Gedichtband stehe ihm zu angesichts der zahlreichen stilistischen Hilfen, die er Friedrich geleistet hatte.
    Voltaire hielt sich noch in Leipzig auf, wo er Johann Christoph Gottsched und den Verleger Bernhard Christoph Breitkopf besuchte, als Friedrich – am 11. April – Vorsorge traf, Voltaire das Ordenskreuz, den Kammerherrn-Schlüssel, die Briefe und den Gedichtband abzujagen.
    Ein solcher Befehl erging an den preußischen Residenten bei der Reichsstadt Frankfurt, Kriegsrat Franz von Freytag.
    Am 12. April bat Friedrich auch seine Schwester Wilhelmine in Bayreuth, Voltaire diese Sachen von einem königlichen Beauftragten abnehmen zu lassen.
    Voltaire mied aber auf der Weiterreise den Bayreuther Hof.
    Mitte April traf Voltaire in Gotha ein – als Gast am Hofe der Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg. Er nannte sie
     
«die beste, gütigste, verständigste, ausgeglichenste Fürstin der Erde, die, gottlob, keine Verse machte.
Dann verbrachte ich einige Tage auf dem Gut des Landgrafen von Hessen in Kassel, dem die Poesie noch ferner stand als der Herzogin von Gotha. Ich atmete auf. Gemächlich setzte ich meinen Weg nach Frankfurt fort.»
     
    Am 30. Mai kam Voltaire in Frankfurt an. Er nahm Quartier im Gasthaus Zum Goldenen Löwen.

9.
    Friedrichs Befehl vom 11. April an den preußischen Residenten in Frankfurt, Kriegsrat Freytag, lag vor.
    Geschrieben von Michael Fredersdorf, dessen Versuche, sich seiner deutschen Muttersprache zu bedienen, in den Anfängen steckengeblieben waren:
     
«‹Seine Königliche Majestät machen bekannt, wie dass der Voltaire mit ehsten Frankfurt am Main passiren wird, als ist Seiner Königlichen Majestät Befehl, dass er sich mit Zuziehung des dortigen Hofrath Schmid zu ihm verfügen, den
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