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«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

Titel: «Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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Leibniz-Briefes überzeugt war, kann bezweifelt werden.
    Übrigens waren nur Euler und Maupertuis sachverständig; als Ankläger hätten sie sich gar nicht am Urteil beteiligen dürfen.
    Sulzer erkühnte sich zu reden: Er könne das, was Herr Euler vorgetragen, weder billigen noch ein so unregelmäßiges Verfahren unterschreiben.
    Er erklärte später, zwar stehe sein Name in der Liste der Richter, aber er habe keinen Anteil daran.
    Es hatte genügt, daß Sulzer sich vergaß, und Maupertuis trug Sorge, daß Sulzer seiner Akademie-Pension verlustig ging.
    Samuel König kam dem Akademie-Ausschluß zuvor; er schickte Maupertuis das Mitglieds-Patent zurück.
    Vor Jahren war König Voltaires und Émilies Gast in Cirey gewesen; er hatte Émilie in Mathematik unterrichtet.
    Voltaire schrieb:
     
«In Berlin zuckte man bloß die Schultern, denn da Friedrich in dieser unglückseligen Angelegenheit Partei ergriffen hatte, wagte niemand etwas zu sagen; ich war der einzige, der die Stimme erhob. Samuel König war mein Freund; ich hatte das Vergnügen, mit der Angelegenheit eines Freundes die Freiheit der Schriftsteller zu verteidigen … Wenige Schriftsteller halten es so. Die meisten sind arm, und Armut schwächt den Mut …»
     
    Voltaire trat an Samuel Königs Seite und verteidigte ihn in einem anonymen Artikel der Bibliothèque Raisonné vom 18. September: Antwort eines Berliner Akademikers an einen Pariser Akademiker – Réponse d’un académicien de Berlin à un académicien de Paris , worin er schrieb:
     
«Mehrere Mitglieder der Akademie haben gegen ein so schreiendes Verfahren protestiert und würden die Akademie verlassen, wenn sie nicht fürchteten, dem Könige, ihrem Beschützer, zu mißfallen.»
     
    Friedrich, dem Protecteur des Monsieur de Maupertuis, fiel nichts Besseres ein, als seinem Akademie-Präsidenten beizuspringen mit einer anonymen Streitschrift: Brief eines Berliner Akademikers an einen Pariser Akademiker – Lettre d’un académicien de Berlin à un académicien de Paris . Er wußte natürlich, wer der Anonymus der Réponse war, schmeichelte seinem Schützling Maupertuis und griff Voltaire beleidigend an:
     
«Dieser armselige Autor einer böswilligen Schrift, dieser talentlose Libell-Schreiber und verächtliche Feind eines verdienstvollen Namens!»
     
    Jetzt gab es für Voltaire kein Halten mehr. Er antwortete mit einer Spottschrift, seinem Pamphlet des Doktor Akakia, Arzt des Papstes – Diatribe du Docteur Akakia, médecin du pape .
    Zu Beginn der Diatribe findet sich das Dekret des Inquisitors namens Pancratius, der in den Lettres von Maupertuis verdammenswerte häretische Sätze aufgespürt hat. Es wird von einer Kommission des Collegium Sapientiae ein Gutachten eingeholt, das die physikalischen, mathematischen, dynamischen und metaphysischen Theorien Maupertuis’ der allgemeinen Lächerlichkeit preisgibt.
    In später hinzugekommenen Teilen der Diatribe schließen Maupertuis und Samuel König einen Friedensvertrag.
    Unter Punkt 11 heißt es:
     
«Hinsichtlich des Lochs, das wir bis zum Mittelpunkt der Erde bohren wollen, so sehen wir jetzt formell von diesem Unternehmen ab; denn obzwar die Wahrheit bekanntlich auf dem Grunde des Brunnens zu finden ist, würde doch dieser Brunnen zu schwierig zu bauen sein. Die Arbeiter, die am Turm zu Babel gebaut haben, sind tot. Außerdem will kein Herrscher mit unserem Loch etwas zu tun haben, weil die Öffnung etwas zu groß wäre; man müßte zumindest ganz Deutschland ausgraben, was einen bemerkenswerten Schaden für das europäische Gleichgewicht bedeuten würde. Lassen wir also das Antlitz der Erde so, wie es ist; seien wir allemal vorsichtig, wenn wir graben wollen, und bleiben wir lieber an der Oberfläche der Dinge.»
     
    Dem Friedensvertrag folgt eine Erklärung von Samuel König, die der Akademie-Sekretär vorträgt.
    Darin heißt es:
     
«Um den Vergleich der streitenden Parteien zu erleichtern, übergeht der Herr Professor das Prinzip des Herrn Präsidenten, ‹daß ein Schriftstück, dessen Original nicht beizubringen ist, ein gefälschtes Dokument ist›; es soll daran nicht die Vermutung geknüpft werden, daß der Herr Präsident etwa auch Zweifel an den Büchern unserer heiligen Religion hege …»
     
    Voltaire las Friedrich das Manuskript der Diatribe vor. Friedrich mußte seinen Akademie-Präsidenten verteidigen und befahl Voltaire:
     
    «Verbrennen Sie Ihr Pamphlet!»
     
    Im Schloß, im Zimmer des Königs, wurde die
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