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«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

Titel: «Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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schonungslosen Kritik unterworfen hatte.
    An eine Wahl in die Akademie war nicht mehr zu denken.
Nicht genug damit.
    1734 veröffentlichte er ohne offizielle Druck- erlaubnis die Lettres philosophiques sur les Anglais . Am Schluß des sechsten Briefes hatte er geschrieben:
     
«Wenn es in England nur einen Glauben gäbe, müßte man Despotismus fürchten; gäbe es zwei, schnitten sie sich die Hälse ab; aber es gibt dreißig davon, und sie leben glücklich und in Frieden.»
     
    Und im zehnten Brief:
     
«In Frankreich ist Marquis, wer will; und wer immer aus einer Provinz in Paris ankommt mit Geld, das er ausgeben kann, und einem Namen auf - ac oder - ille , kann sagen: ‹Ein Mann wie ich, ein Mann meines Standes›, und in Ruhe einen Kaufmann verachten … Ich aber weiß nicht, was einem Staat nützlicher ist, ein wohlgepuderter Herr, der genau weiß, zu welcher Stunde der König sich erhebt, zu welcher er zu Bett geht, und der sich etwas von Größe gibt, wenn er im Vorzimmer eines Ministers die Rolle eines Sklaven spielt, oder ein Kaufmann, der sein Land bereichert … und zum Guten der Welt beiträgt.»
     
    Das Freiheitsverlangen und der Fortschrittsglaube Voltaires – der Kirche und den Staatsautoritäten war es zuviel.
     
    Noch in Montjeu erreichte Voltaire eine Nachricht aus Paris: Die Lettres philosophiques waren gemäß einem Urteil des Parlaments verboten und zur Verbrennung durch Henkershand verurteilt worden.
    Falls er in Paris erscheine, werde er verhaftet und in die Bastille geworfen. Voltaire wollte auf die Gefängnishaft verzichten. Er hatte die Bastille 1717 und 1726 kennengelernt.

4.
    Im Dezember 1725 war François-Marie Arouet, der sich 1719 Voltaire genannt hatte, in der Comédie Française, in der Garderobe der Schauspielerin Adrienne Lecouvreur, auf den Chevalier Guy Auguste de Rohan getroffen.
    Der Chevalier verachtete Voltaire wegen dessen bürgerlicher Herkunft.
    Er sagte:
    «Arouet? Voltaire? Oder wie heißen Sie doch gleich?»
    Voltaire sagte:
    «Ich bin nicht wie jene, die den Namen entehren, den sie erhalten haben. Ich werde den Namen, den ich mir gegeben habe, unsterblich machen.»
    Rohan fühlte sich beleidigt und hob seinen Stock.
    Voltaire zog seinen Degen.
    Adrienne Lecouvreur täuschte angesichts des drohenden Streits eine Ohnmacht vor, und die beiden ließen voneinander ab.
     
    Einige Tage darauf speiste Voltaire bei dem Herzog von Sully, Maximilien Henri de Bethune, mit dem er befreundet war.
    Während der Mahlzeit wurde Voltaire ein Zettel gereicht. Draußen warte ein Bote auf ihn mit einer wichtigen Nachricht.
    Vor der Tür in der Rue Saint-Antoine standen zwei Kutschen. Jemand aus der ersten Kutsche rief:
    «Kommen Sie!»
    Voltaire trat an die Kutsche heran. Es sprangen drei Vermummte heraus und schlugen mit Stöcken auf Voltaire ein.
    Aus der zweiten Kutsche hörte Voltaire die Stimme Rohans:
    «Bravo! Arouet hat ein dickes Fell. Er kann einiges vertragen.»
    Voltaire stürzte zurück ins Haus. Der Herzog von Sully, den er um Hilfe bat, blieb gleichgültig. Rohan gehörte einer mächtigen Adelsfamilie an, mit der sich niemand anlegen mochte, Voltaire war nur ein Schriftsteller bürgerlichen Standes.
     
    Voltaire, haßerfüllt, wollte sich rächen. Er trainierte bei einem Maître d’Armes seine Fertigkeit mit dem Degen. Er forderte Rohan zum Duell. Der erklärte sich bereit, aber ersuchte seine Familie, ihn vor Voltaire zu schützen. Die Familie nutzte ihre Verbindungen. Der Premierminister, Herzog von Bourbon, ließ Voltaire verhaften und in die Bastille sperren.

5.
    Voltaire beschloß, nach der Hochzeit des Herzogs von Richelieu nicht nach Paris zurückzukehren.
    Émilie fuhr mit Sophie de Guise, jetzt Herzogin von Richelieu, von Montjeu nach Paris.
    Voltaire aber ging im Oktober 1734 nach Cirey-sur-Blaise und zog in das Schloß, das von alters her der Familie du Châtelet gehörte.
    Außer Émilie und wenigen vertrauten Freunden wußte niemand von Voltaires Versteck.
     
    Das Schloß lag für Voltaire günstig: nahe der Grenze zu Lothringen, das als selbständiger Staat galt, und nahe einer guten Straße nach Holland. Voltaire hätte Frankreich schnell den Rücken kehren können.
    Allerdings war das Schloß heruntergekommen und leer. Voltaire ließ das Gebäude von vielen Handwerkern herrichten und besorgte über Mittelsleute Möbel etc.
    Zu Weihnachten 1734 kam endlich Émilie nach Cirey.
    Wahrscheinlich war Kardinal André-Hercule de Fleury, Leitender
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