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«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

Titel: «Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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Minister Ludwigs   XV., der die Regierungsgeschäfte versah und Voltaire zu verfolgen hatte, inzwischen zu dem Schluß gelangt, daß es besser wäre, den berühmten Voltaire nicht allzu eifrig suchen zu lassen.
    Einen Voltaire zu verhaften, das hätte den Kardinal schließlich zum Gespött gemacht.
     
    Émilie konnte ohne Gefahr für Voltaire auf die Reise nach Cirey gehen. Sie reiste in einem Konvoi von fünf Wagen, und sie hatte angeordnet, einige Tage später zusätzliche Wagen zu schicken. Mit Büchern, Kleidern, Kammerfrauen, Dienern, ihren Kindern und einem Koch kam sie in Cirey an.
     
    Émilies Ehemann hatte nichts einzuwenden gegen Bauarbeiten in seinem Schloß und gegen die neue Einrichtung. Er mußte sie nicht bezahlen, und er konnte in dem Schloß wohnen und seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen – der Jagd in den Wäldern, die das Schloß umgaben und ebenso ihm gehörten.
    Émilie führte sogleich Regie bei den weiteren Bauarbeiten und bei der endgültigen Einrichtung; sie sparte nicht mit Voltaires Geld. Möbel, Teppiche, Tapeten, Gardinen, Vorhänge, Geschirr, Wäsche, sogar Bilder ließ sie aus Paris kommen.
    Sie vergaß darüber nicht ihre Arbeitsvorhaben und bestellte Bücher – auch für Voltaire – aus England, Holland, aus der Schweiz und natürlich aus Paris. Schon 1734 standen im Schloß von Cirey wenigstens 20   000 Bücher.
    Émilies Eifer nahm Voltaire fast den Atem. Er überließ ihr die Arbeiten am Schloß und kehrte zu seiner Arbeit am Schreibtisch zurück.
    1732 hatte er mit Siècle de Louis XIV begonnen; auch 1733 hatte er daran gearbeitet. Diese Arbeit nahm er in Cirey wieder auf. Und er begann mit La Pucelle d’Orléans . Beide Arbeiten banden ihn auch 1735.
     
    Nach dem Ende der Bau- und Renovierungsarbeiten wandte sich auch Émilie wieder ihren liebsten Beschäftigungen zu.
    Der große Voltaire und seine schöne gelehrte Geliebte Émilie fühlten sich in Cirey glücklich, als Liebende, als geistige Arbeiter, als Freunde.

6.
    Émilie, Tochter von Louis-Nicolas Le Tonnelier, Comte de Breteuil und Preuilly, und seiner Frau Gabrielle-Anne de Froulay, hatte von Kindheit an eine gründliche Ausbildung in Mathematik, Physik, Philosophie und Sprachen genossen. Gesang und Tanz, Reiten und Fechten gehörten zu ihren Fächern.
    Der Marquis du Châtelet, den Émilie heiratete, als sie achtzehn war, beförderte ihre Studien und brachte sie in seinem Pariser Haus mit angesehenen Gelehrten zusammen.
    Sie ließ sich von Pierre-Louis Moreau de Maupertuis, dem späteren Präsidenten der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften, in Mathematik, speziell in Algebra, und von Alexis-Claude Clairault in Physik unterrichten.
    Sie las die Schriften von Leibniz und Newton.
    Sie unternahm physikalische Experimente.
     
    Im neu erbauten Flügel des Schlosses in Cirey richteten sie und Voltaire eigens ein physikalisches Laboratorium ein.
    Sie übersetzte aus dem Lateinischen und Englischen.
    Sie stand im Briefwechsel mit Samuel König, Johann Bernoulli, Francesco Algarotti.
    Sie korrespondierte mit Friedrich in Preußen.
    1735 begann sie, Mandevilles The fable of the bees zu übersetzen.
    In ihrem Kommentar schrieb sie:
     
«Wenn ich König wäre, ich würde einen Mißbrauch abschaffen, der die Hälfte der Menschheit zurücksetzt. Ich würde Frauen an allen Menschenrechten teilhaben lassen, insbesondere an den geistigen … Das Glück brachte mich mit gebildeten Menschen zusammen, die mir die Hand zur Freundschaft reichten. Da begann ich zu begreifen, daß ich ein geistiges Wesen sei.»
     
    Im selben Jahr erschien ihre Übersetzung der Aeneis von Vergil.
     
    Mit Voltaire in Cirey – es waren in Émilies Leben die produktivsten Jahre.
    Sie beteiligte sich 1737 an einem Preisausschreiben der Académie des Sciences mit dem Essay Sur la nature du feu . Zwar gewann sie keinen Preis – den Preis hatte der Schweizer Mathematiker Leonhard Euler gewonnen –, aber ihre Arbeit wurde 1744 von der Académie, zusammen mit anderen, veröffentlicht.
    1737 begann sie auch die Arbeit an ihrem Bibelkommentar Examen de la Genèse .
     
    Voltaire und Émilie schrieben gemeinsam Élements de la philosophie de Newton ; das Buch erschien 1738 unter Voltaires Namen, aber im Vorwort hob er Émilies Anteil hervor.
    Sie arbeiteten in Cirey von früh bis spät, nach einem strengen Tagesplan. Aber sie empfingen auch Gäste. Unter dem Dach des Schlosses hatte Voltaire ein kleines Theater eingerichtet; man gab
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