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«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

Titel: «Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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Kleidung.
    Freytag und Schmidt nahmen Voltaire und Collini sämtliche Reisegelder und Wertsachen ab, auch Voltaires Tabaksdose und Taschenuhr. Sie nahmen die Handtaschen der beiden an sich und eine Schmuckkassette. Dies alles, ohne von den städtischen Behörden dazu ermächtigt worden zu sein. Quittungen bekamen Voltaire und Collini nicht.
    Freytag äußerte die Absicht, Voltaire in der Residenzwohnung in Privatarrest zu nehmen.
    Das lehnte Voltaire vehement ab.
     
    Für die förmliche Verhaftung Voltaires benötigte Freytag die Behörden der Stadt. Der Ältere Bürgermeister, Johann Carl von Fichard, stellte den Verhaftungsbefehl aus. Schmidt brachte Fichard dazu, auch Louise Denis und Collini verhaften zu lassen.
    Fichard ordnete Freytag und Schmidt einen reichsstädtischen Offizier, Leutnant Textor, bei, der Voltaire und Collini die Degen abnahm.
    Man brachte Voltaire und Collini in eine verrufene Schenke, das Gasthaus Zum Bockshorn, gegenüber dem Gasthaus Zum Goldenen Löwen. Der Löwenwirt hatte sich geweigert, Voltaire wieder aufzunehmen.
    Im Gasthaus Zum Bockshorn wurden drei Zimmer belegt; vor jedem Zimmer hielten vier städtische Soldaten Wache.
    Freytags Sekretär, ein gewisser Dorn, ging am Abend, gegen 22 Uhr, in das Gasthaus Zum Goldenen Löwen und sagte zu Louise Denis, er wolle sie in Voltaires Auftrag abholen. Von drei Grenadieren begleitet brachte er sie über die Straße ins Gasthaus Zum Bockshorn, wo sie vor ihrem Zimmer die Wache vorfand.
    Louise Denis verfiel in hysterische Krämpfe. Aber Dorn schickte ihr nicht etwa ihre Kammerfrau, sondern setzte sich selbst in ihr Zimmer. Er ließ sich ein Abendessen und mehrere Flaschen Wein bringen. Gegen seine Zudringlichkeiten konnte Louise Denis sich nur durch laute Hilferufe wehren.
    Freytag log später, Voltaires Nichte habe Dorn gebeten, über Nacht in ihrem Zimmer zu bleiben.

11.
    Am Berliner Posttag, Donnerstag, 21. Juni 1753, erhielt Freytag Antwort aus Potsdam auf seine Anfrage vom 5. Juni:
     
«… Um jedoch ihn (Voltaire) nicht länger von seiner vorhabenden Reise nach Plombières abzuhalten, so gestatten Seine Majestät gnädigst, daß er dieselbe fortsetze, wenn er zuvor einen förmlichen Revers an Ihnen dahin eingeliefert haben wird, daß er das Seiner Königlichen Majestät zuständige Buch, in einer zu bestimmenden kurzen Zeit, fidèlement, in originali, und ohne davon Kopie zu nehmen oder nehmen zu lassen, einschicken wolle …
Ew. Hochwohlgeboren belieben demnach, ihm diesen Revers vorzulegen, und wenn er solchen vollzogen und unterschrieben haben wird, ihn in Frieden und mit Höflichkeit zu dimittieren; auch von dem Erfolg mir mit erster Post Nachricht zu geben.
Potsdam, den 16. Juni 1753.»
     
    Schon am Donnerstagvormittag hatte Voltaire den Kriegsrat Freytag schriftlich gebeten, ihn und Louise Denis in das Gasthaus Zum Goldenen Löwen zurückkehren zu lassen. Er könne dort im Garten spazierengehen und frische Luft atmen; dort bekäme er auch das Schwalbacher Mineralwasser, das ihm von dem Arzt Le Cerf verordnet worden sei.
    Am Nachmittag begab Freytag sich in das Gasthaus Zum Bockshorn. Die Leipziger Kiste war unterdessen dorthin gebracht worden. Auch ein Koffer, worin sich die Wertsachen und Reisegelder befinden sollten, die Freytag und Schmidt am Tag zuvor widerrechtlich an sich genommen hatten.
    Die Leipziger Kiste wurde geöffnet, Friedrichs Gedichtband in Voltaires Gegenwart versiegelt. Erst vier Tage später schickte Freytag den Gedichtband nach Potsdam.
    Der Koffer wurde Voltaire übergeben, aber die Reisegelder Voltaires und Collinis fehlten. Es hieß, sie sollten in Schmidts Hand bleiben – als Pfand, denn Voltaire schulde noch die Kosten für die Haft. Freytag bezifferte sie am 22. Juni auf 190 Gulden und 11 Kreuzer. Diese Summe habe der Frankfurter Rat für die Bewachung durch reichsstädtische Soldaten ausgegeben.
     
    Freytags Gespräch mit Voltaire am Donnerstagnachmittag, 21. Juni, dauerte vier Stunden. Freytag und Schmidt, die sich im klaren darüber waren, daß sie sich rechtswidrig verhalten hatten, zwangen Voltaire zu einer schriftlichen Erklärung:
     
«Niemandem zu sagen oder zu schreiben, was man dahier mit ihm vorgenommen.»
     
    Freytag hatte den Rat von Frankfurt am Donnerstagvormittag wissen lassen, daß er Louise Denis und Collini freilassen werde. Am Nachmittag kam der städtische Leutnant Textor in das Gasthaus Zum Bockshorn mit dem Auftrag, Louise Denis und Collini ihre Freilassung
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