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«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

Titel: «Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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mitzuteilen und die Wache bis auf zwei Mann abzuziehen.
    Aber Freytag hatte es sich unterdessen anders überlegt. Er hinderte Textor daran, mit Louise Denis und Collini zu sprechen. Er verbot ihnen, das Haus zu verlassen.
    Textor zog ab; er konnte immerhin den größten Teil der Wachmannschaft nach Hause schicken.
     
    Freytag und Schmidt hatten dem Frankfurter Rat, namentlich dem Älteren Bürgermeister Fichard, versichert, die förmliche Verhaftung Voltaires werde durch ein königlich-preußisches Requisitionsschreiben gedeckt. Sie hatten sogar mit ihrem persönlichen Vermögen dafür gebürgt, daß ein solches Rechtshilfe-Ersuchen eintreffen werde. Sie erbaten von Friedrichs Geheimem Kämmerer Fredersdorf eine
     
«allergnädigste Approbation ihres in dieser Sache bis dahin gethanen Betragens».
     
    Sogar schlugen sie Fredersdorf vor, ihnen eine «carta bianca mit königlicher Unterschrift» zukommen zu lassen, die sie selbst ausfüllen könnten. Sie fürchteten, durch die Freilassung Voltaires in Konflikt mit dem Frankfurter Rat zu geraten.
    Der reichsstädtische Aktuar Diefenbach ermahnte Freytag am 28. Juni, dem Rat endlich das Requisitionsschreiben des preußischen Königs vorzulegen.
    Freytag und Schmidt vertrösteten den Aktuar.
    Am 4. Juli legte Diefenbach den beiden preußischen Beamten nahe, Voltaire freizulassen. Aber Freytag und Schmidt zögerten.
    Doch am 5. Juli zeigten sie sich zugänglich. Sie gestanden Diefenbach zu, die Wachmannschaft vollständig abzuziehen und Voltaire den Umzug in den Goldenen Löwen zu gestatten.
    In einem Kabinettschreiben vom 26. Juni hatte Friedrich nämlich angeordnet, Voltaire und Louise Denis freizulassen.

12.
    Voltaire zog am 6. Juli 1753 wieder im Gasthaus Zum Goldenen Löwen ein. Er besuchte den Älteren Bürgermeister und nahm seinen Degen entgegen – zum Zeichen seiner vollen Freiheit.
    Er bereitete seine Abreise vor.
    Allerdings wollte er noch seine Reisegelder zurückhaben. Freytag ließ dem Bürgermeister sagen, Voltaire könne die Gelder abzüglich der Haftkosten bei Schmidt abholen.
    Voltaire schickte am 7. Juli den Notar Myck mit einer Vollmacht zu Schmidt. Der aber meinte, da die Sache auch Freytag betreffe, müsse er dessen Sekretär dazu adhibieren.
    Also begab sich Freytags Sekretär Dorn, dem das Geld ausgehändigt worden war, zusammen mit dem Notar Myck zu Voltaire.
    Kaum hatte Voltaire das Ganovengesicht Dorns erblickt, da griff er zu seiner Reisepistole, die Collini gerade geladen hatte, und zielte auf Dorn. Collini fiel Voltaire in den Arm, und Dorn floh.
     
    Voltaire und Collini verließen noch am selben Tag Frankfurt und erreichten wohlbehalten Mainz.
    Louise Denis ging auf die Reise nach Paris.
    Aus Mainz schrieb Voltaire am 9. Juli einen Brief an Friedrich, der für lange Zeit der letzte bleiben sollte.
    Im eigenen Namen und im Namen von Louise Denis und Cosimo Collini beklagte Voltaire die entwürdigende Behandlung durch die preußischen Räte Freytag und Schmidt in Frankfurt.
     
«In dieser schmählichen Lage erachten sie es als notwendig, Seine Majestät den König von Preußen wissen zu lassen, wer unschuldige Personen in seinem Namen mißhandelt und das Recht der Menschen mißachtet hat.»
     
    Voltaire sah Friedrich nie wieder.
    Den Frankfurter Zwangsaufenthalt nannte er später eine «Ostgoten- und Vandalengeschichte».

13.
    Für Voltaire war die «Vandalengeschichte« mit seiner Abreise nach Mainz noch nicht zu Ende. Er wollte seine Reisegelder.
    Freytag hatte einen Brief Fredersdorfs vom 14. Juli 1753 erhalten, der zur Freude Freytags keinen Zweifel daran ließ, daß Friedrich «dem Voltaire durchaus kein Gehör mehr geben wolle»:
     
«Von dem Voltaire», schrieb Fredersdorf, «der ein Mensch ohne Ehre ist, wollen Seine Königliche Majestät nichts mehr wissen, und mag er nach nunmehr abgelieferten Sachen gehen, wohin er will. Wäre er noch dorten, so lassen Sie ihn schreien, soviel er will, und geben ihm so wenig als dem Magistrat über Ihr Verfahren Rede und Antwort … Sie haben als treuer Diener des Königs nach Höchstdero Ordre gehandelt, und die Lügen und Kalumnien des Voltaire finden hier und in aller Welt keinen Ingreß.»
     
    Voltaire lag so sehr daran, seine Gelder wiederzuerlangen, daß er sogar noch einmal nach Frankfurt zurückkehrte. Er nahm Quartier im Gasthof Zum Goldenen Apfel und beriet sich mit Notar Boehm, mit dem Buchhändler Varrentrapp und mit dem Frankfurter Senator Johann Erasmus Senckenberg,
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