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Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Titel: Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe
Autoren: Martin Clauß
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Indianerdorfes und damit das niedlichste Etwas, das ihnen seit Monaten unter die Augen gekommen war. Sie nannten es Nuna, weil ihnen der echte Name, der noch einige gutturale Knacklaute enthielt, zu umständlich zu merken und auszusprechen war. Man vermutete in ihr eine Enkelin des Medizinmanns, eventuell auch eine späte Tochter, denn man sah sie häufig in seiner Nähe. Nuna hatte Augen, die nicht anders konnten als mit den Sonnenstrahlen auf dem Fluss um die Wette zu funkeln, und einen Mund, dessen volle Lippen anmuteten, als seien sie entweder für wilde, nasse Küsse geschaffen oder dafür, die ehrwürdigsten Geheimnisse einer uralten Welt auszusprechen. Sie trug drei dünne Zöpfchen über der Stirn und einen schweren, breiten Zopf auf ihrem Rücken. Ihr Alter schätzte man auf fünfzehn oder sechzehn.
    „Old ‘nuff“, wie Cassel es formulierte. Sie grinsten, denn sie wussten, was damit gemeint war. Indianermädchen heirateten in diesem Alter und bekamen ihre ersten Kinder. Auch unter den Einwanderer-Frauen waren frühe Heiraten und frühe Geburten üblich. Sobald die Frau zeugungsfähig war, taugte sie auch für die Ehe. Oft heirateten die jungen Mädchen wesentlich ältere Männer, die ihnen finanzielle Sicherheit geben konnten.
    Sobald einer der vier Digger seinen sexuellen Fantasien freien Lauf zu lassen begann, trugen auch die anderen ihren Teil dazu bei, und binnen kurzem dampfte Rich Stone Valley von den feuchten Träumen der Männer. Darren sah aus dieser Richtung einigen mischief nahen, wie die Leute es nennen würden. Aber er ahnte nicht, wie schlimm es kommen konnte. Er hatte keine Chance vorauszusehen, dass das Indianermädchen, natürlich ohne eigene Schuld, die Menschen in diesem Winkel schon bald ins Unglück reißen würde, die weißen Goldsucher ebenso wie die Angehörigen ihres kleinen, verletzlichen Stammes.
    Cassel stattete der Indianersiedlung immer häufiger Besuche ab. Und bald schon tat es ihm Frog gleich. Sie versuchten mit Nuna zu flirten (oder das zu tun, was sie für Flirten hielten). Manchmal konnte der Medizinmann, der in dieser kleinen Gemeinschaft die Rolle eines Häuptlings einnahm, die beiden Männer aus dem Dorf hinauskomplimentieren, in einigen Fällen griffen Phil oder Conny ein, die sich auf ihre krude, gefährliche Art eine Form von Gesetzestreue und Rechtssinn bewahrt hatten. Fest steht, dass Nuna mehrmals knapp einer Vergewaltigung entging, und dass sich die Stimmung zwischen den Indianern und den Diggern mehr und mehr anspannte.
    Dann ereignete sich etwas, was auf den ersten Blick nichts mit der „Liebe“ der Digger zu dem Indianermädchen zu tun hatte. Von Zeit zu Zeit kamen Reisende und Händler über die Straße, die oberhalb von Rich Stone Valley vorüberführte. Man achtete stets darauf, dass Darren in seiner Hütte blieb, wenn die Wagen kamen. Diesmal war es ein fahrender Händler in Sachen Textilien und Hausrat. Da der Herbst hereingebrochen war und der Winter nahte, kaufte man sich einige warme Jacken und Decken. Auch der junge Conny, dessen Kleider nur noch aus hundertfach geflickten Fetzen bestanden, erwarb neue Klamotten.
    Ein paar Tage später wurde er krank, sehr krank.
    Sein Körper glühte mit hohem Fieber, und er klagte über heftige Gliederschmerzen, sodass man ihn draußen nicht gebrauchen konnte. Nachdem er festgestellt hatte, dass er nicht einmal mehr gerade schießen konnte, fügte er sich schmollend in sein Schicksal und hütete das Bett. Die Krankheit besserte sich nicht, und nach einer Woche begannen sich an seinem Körper rote Pünktchen zu zeigen. In Darren, der zunächst an eine Grippe geglaubt hatte, erwachte allmählich ein schlimmer Verdacht.
    Conny hatte sich mit smallpox angesteckt, den echten Pocken.
    Soweit Darren wusste, konnten mit dieser Krankheit kontaminierte Textilien noch lange ansteckend wirken. Der fahrende Händler verkaufte den Tod, und eigentlich hätte man alles daran setzen müssen, ihn aufzuhalten, doch er mochte sich gut und gerne hundert Meilen von ihnen entfernt haben. Seiner Spur zu folgen kam der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleich. Darren selbst war in seiner Jugend noch gegen die Pocken geimpft worden, vermutlich sogar mehrfach, ehe man die Impfung Anfang der 70er Jahre absetzte, weil die Pocken weltweit als ausgestorben galten. Mit etwas Glück war seine Immunität noch stark genug, um ihn zu schützen. Dennoch gab er sich größte Mühe, dem Kranken und seinem Lager nicht zu nahe zu
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