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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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gehüllt, die Wangen und Augenbrauen stark gefärbt und in den feuchten Augen einen Glanz, wie er bei keiner ehrbaren Frau zu finden ist. Wenn ich sie betört betrachtete, sprach mein Vater ernst:
    »Nimm dich in acht vor einer Frau, die dich ›schöner Jüngling‹ nennt und an sich zu locken sucht, denn ihr Herz ist ein Netz und eine Falle, und ihr Schoß brennt dich mehr als Feuer.«
    Kein Wunder, daß ich, nach solchen Lehren, in meiner Kinderseele Weinkrüge und schöne Frauen zu fürchten begann. Gleichzeitig aber übte beides auf meine Sinne eine gefährliche Lockung aus, die stets in dem Verbotenen liegt. Schon als Kind durfte ich Vaters Sprechstunden beiwohnen. Er zeigte mir die Instrumente, seine Messer und Arzneigefäße und erklärte mir ihre Verwendung. Während er die Kranken untersuchte, durfte ich danebenstehen und ihm Wasserschalen, Binden, öle und Wein reichen. Nach echter Frauenart ertrug meine Mutter den Anblick von Wunden und Geschwüren nicht, auch konnte sie mein kindliches Interesse für Krankheiten nie verstehen. Ein Kind kann eben Schmerzen und Krankheit nicht erfassen, bevor es sie selbst erfahren hat. Das Aufstechen eines Geschwürs schien mir eine spannende Verrichtung, und voller Stolz erzählte ich den anderen Knaben alles, was ich gesehen hatte, um ihre Achtung zu gewinnen. Immer, wenn ein neuer Patient auftauchte, verfolgte ich aufmerksam meines Vaters Untersuchung und seine Fragen, bis er schließlich sagte: »Die Krankheit ist heilbar« oder »Ich werde die Behandlung des Falles übernehmen«. Aber es gab auch Kranke, die zu behandeln er sich nicht zutraute und denen er ein paar Zeilen auf einen Papyrusstreifen schrieb, um sie damit zum Tempel in das Haus des Lebens zu schicken. Wenn ein solcher Patient gegangen war, pflegte er zu seufzen, sein Haupt zu schütteln und »Armer Mensch!« zu sagen.
    Nicht alle Patienten meines Vaters waren arm. Aus den Freudenhäusern brachte man ihm Männer zum Verbinden, deren Gewänder aus feinstem Leinen waren, und zuweilen kamen syrische Schiffer, die an Geschwüren oder Zahnschmerzen litten, um sich von ihm untersuchen zu lassen. Deshalb staunte ich auch nicht, als eines Tages die Frau eines Gewürzhändlers, mit Schmuck behangen, den Kragen von Edelsteinen funkelnd, zur Untersuchung kam. Sie seufzte und wimmerte und trug meinem aufmerksam lauschenden Vater klagend ihre vielen Leiden vor. Ich war sehr enttäuscht, als Vater schließlich nach einem Papyrusstreifen griff, um etwas daraufzuschreiben, denn ich hatte gehofft, daß er sie heilen könne, was ihm viele wertvolle Dinge als Gegenleistung eingetragen hätte. Deshalb seufzte ich, schüttelte mein Haupt und flüsterte »Armer Mensch!« vor mich hin.
    Die kranke Frau fuhr erschrocken zusammen und betrachtete ängstlich meinen Vater. Er aber schrieb von einer verschlissenen Papyrusrolle eine Zeile altertümlicher Buchstaben und Bildzeichen auf seinen Papyrusstreifen ab, goß Öl und Wein in ein Mischgefäß, tauchte den Papyrus hinein, bis die Tinte sich im Wein auflöste, worauf er die Flüssigkeit in einen Lehmkrug goß und ihn der Frau des Gewürzkrämers mit der Ermahnung reichte, augenblicklich von dieser Arznei einzunehmen, sobald Kopf- oder Leibschmerzen sich einstellen sollten. Als die Frau gegangen war, sah ich meinen Vater fragend an. Er sah verlegen aus, hüstelte ein paarmal und sagte dann:
    »Viele Leiden lassen sich mit Tinte heilen, die zu einer kräftigen Beschwörung verwendet wurde.«
    Mehr äußerte er sich nicht, brummte bloß nach einer Pause vor sich hin: »Auf jeden Fall bringt das Mittel der Patientin keinen Schaden.«
    Als ich sieben Jahre alt war, erhielt ich das Lendentuch der Knaben, und meine Mutter führte mich in den Tempel, um einem Opfer beizuwohnen. Zu jener Zeit war der Ammontempel zu Theben der mächtigste Tempel in Ägypten. Zu ihm führte vom Tempel und Teich der Mondgöttin eine von widderhäuptigen Steinsphinxen besäumte Allee quer durch die Stadt. Der Tempelbezirk war von mächtigen Ziegelmauern umgeben und bildete mit all seinen Gebäuden eine eigentliche Stadt innerhalb der Großstadt. Vom Wipfel des berghohen Pylonen flatterten bunte Wimpel, und zu beiden Seiten des Kupfertores bewachten Riesenstatuen der Könige das Tempelgebiet.
    Wir durchschritten das Tor, und die Verkäufer von Todesbüchern näherten sich meiner Mutter und begannen flüsternd oder mit gellem Geschrei ihre Angebote zu machen. Die Mutter führte mich in die Werkstätten der
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