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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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Schreiner und zeigte mir die ausgestellten Holzbildnisse, welche Diener und Sklaven darstellten, die, nachdem sie von den Priestern beschworen worden waren, im Jenseits für ihre Besitzer sorgen und arbeiten sollten, so daß diese selbst keinen Finger mehr zu rühren brauchen. Doch, warum soll ich erzählen, was jeder weiß, da doch alles sich wiederholt und das Menschenherz sich nicht wandelt. Meine Mutter zahlte die erforderliche Gebühr, damit wir als Zuschauer dem Opfer beiwohnen durften. Ich sah, wie die Priester in weißen Gewändern geschickt im Handumdrehen den Stier schlachteten und zerstückelten, der an einer Schilfflechte zwischen den Hörnern ein Siegel trug, zur Bestätigung, daß er fehlerfrei und ohne ein einziges schwarzes Haar sei. Die Priester waren feist und heilig, und ihre rasierten Häupter glänzten von Öl. Einige hundert Zuschauer wohnten dem Opfer bei, doch die Priester achteten ihrer kaum, sondern plauderten während der ganzen Opferhandlung gleichgültig über ihre eigenen Angelegenheiten. Ich meinerseits betrachtete die kriegerischen Bilder an den Tempelwänden und staunte über die Riesensäulen. Ich war unfähig, die Rührung meiner Mutter zu begreifen, als sie mich mit Tränen in den Augen nach Hause zurückführte. Daheim zog sie mir die Kinderschuhe aus, und ich erhielt neue Sandalen, die unbequem waren und meine Füße drückten, bis ich mich daran gewöhnt hatte.
    Nach der Mahlzeit legte mein Vater mit ernster Miene seine große gelenkige Hand auf mein Haupt und strich mit schüchterner Zärtlichkeit über die weichen Knabenlocken an meiner rechten Schläfe. »Du bist sieben Jahre alt, Sinuhe«, sprach er, »und mußt dich entschließen, was du werden willst.«
    »Krieger«, sagte ich ohne Zögern und konnte den Ausdruck der Enttäuschung auf seinem gütigen Gesicht nicht verstehen; denn die beliebtesten Spiele unter den Jungen der Straße waren die Kriegsspiele. Ich hatte auch schon gesehen, wie die Soldaten vor dem Haus der Krieger rangen und sich in den Waffen übten, wie Streitwagen mit wehenden Federbüschen und dröhnenden Rädern zum Übungsplatz vor die Stadt hinausrollten. Eine stolzere und ehrenvollere Laufbahn als die des Kriegers konnte es nicht geben. Ein Krieger brauchte überdies nicht schreiben zu können, und das war für mich der Hauptgrund, denn die älteren Knaben hatten Schreckliches berichtet, wie schwierig die Schreibkunst sei und wie unbarmherzig die Lehrer ihre Schüler an den Stirnhaaren zupften, wenn eine Lehmtafel unversehens zerschlagen wurde oder eine Rohrfeder zwischen ungewandten Fingern zerbrach.
    Mein Vater war vielleicht in seiner Jugend nicht besonders begabt gewesen, sonst hätte er es im Leben sicher weiter als zu einem Armenarzt gebracht. Aber er war gewissenhaft in seiner Arbeit und schadete seinen Patienten nicht, und im Laufe der Jahre hatte er viele Erfahrungen gesammelt. Er wußte bereits, wie empfindlich und eigensinnig ich war, und sagte daher nichts zu meinem Entschluß. Nach einer Weile aber bat er meine Mutter um ein Gefäß, ging in sein Arbeitszimmer und füllte es mit billigem Wein aus einem seiner Krüge.
    »Komm, Sinuhe«, sagte er und führte mich zum Ufer. Erstaunt folgte ich ihm. Am Kai blieb er stehen und betrachtete einen Prahm, von dem schweißbedeckte Träger mit gekrümmten Rücken Waren herunterschleppten, die in Matten eingenäht waren. Die Sonne stand schon im Begriff, zwischen den westlichen Bergen hinter der Totenstadt unterzugehen; wir waren satt von unserem Mahle, doch die Träger arbeiteten immer noch mit keuchenden Lungen und schweißtriefenden Schultern. Der Aufseher trieb sie mit einer Peitsche an, und unter einem Dach saß der Schreiber ruhig und notierte mit seiner Schilffeder jede Bürde.
    »Möchtest du werden wie diese?« fragte mein Vater.
    Ich fand die Frage unsinnig und entgegnete nichts, sondern blickte meinen Vater erstaunt an, denn keiner wollte wohl wie diese Träger werden.
    »Sie quälen sich ab vom frühen Morgen bis zum späten Abend«, sagte mein Vater Senmut. »Ihre Haut ist hart und verwittert wie die der Krokodile, und ihre Fäuste sind rauh wie die Krokodilsfüße. Erst nach Einbruch der Dunkelheit kehren sie in ihre elenden Lehmhütten zurück. Ihre Mahlzeit besteht aus einem Stück Brot, einer Zwiebel und einem Schluck sauren Dünnbiers. Das ist das Leben aller, die mit ihren Händen arbeiten. Findest du sie etwa beneidenswert?«
    Ich schüttelte mein Haupt und blickte verwundert auf zu
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