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Singularität

Singularität

Titel: Singularität
Autoren: Charles Stross
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der Reichshauptstadt zur Verfügung?«
    »Hm, äh, reicht für fünfzig Minuten, Sir. Die
nächste Zuteilung von verschränkten Quanten-Bits für
die Verbindung zwischen uns und Neu-Prag wird durch RAM-Zuweisung
erst in, äh, achtzehn Monaten erfolgen. Wenn Sie mir eine
Bemerkung erlauben, Sir…«
    »Reden Sie.«
    »Könnten wir eine Minute der Sendezeit für reine
Textmitteilungen reservieren? Mir ist durchaus klar, dass es sich
hier um einen Notfall handelt, aber wenn wir jetzt das ganze
Potenzial ausschöpfen, können wir die Reichshauptstadt bis
zur nächsten Zuteilung überhaupt nicht mehr erreichen. Und,
bei allem Respekt vor Kommandeur Janaczeck, bin ich doch keineswegs
sicher, ob die Marine Kurierschiffe zuverlässig am Feind
vorbeileiten kann.«
    »Dann tun Sie das.« Politowski setzte sich auf und
streckte die Schultern. »Aber denken Sie dran: nur eine Minute!
Der Rest ist der Telekonferenz mit Seiner Majestät vorbehalten,
sobald Majestät abkömmlich ist. Sie werden den Termin
absprechen und mich benachrichtigen, sobald es so weit ist. Oh, und
wenn Sie schon dabei sind, da ist noch Folgendes.« Er beugte
sich vor und setzte hastig die Unterschrift unter ein Blatt, das er
aus seiner Mappe gezogen hatte. »Hiermit verkünde ich den
Ausnahmezustand und erkläre qua der mir von Kaiser und Gott
verliehenen Amtsgewalt den Krieg gegen… gegen wen, zum Teufel,
führen wir hier überhaupt Krieg?«
    Von Beck räusperte sich. »Offenbar nennen sie sich das
Festival, Sir. Leider scheinen wir keine weiteren Informationen
über sie zu besitzen. Und Anfragen beim Archiv des Kurators
haben auch nichts erbracht.«
    »Also gut.« Bormann schob Politowski einen Zettel
hinüber, woraufhin der Gouverneur aufstand. »Meine Herren,
bitte erheben Sie sich von Ihren Plätzen. Seine Kaiserliche
Majestät!«
    Alle standen auf und wandten sich wie ein Mann und voller
Erwartung dem Bildschirm an der hinteren Zimmerwand zu.

 
ein sturm
braut sich zusammen
     
     
    »Darf ich wissen, was man mir vorwirft?«, fragte
Martin.
    Der Sonnenschein, der durch das hohe Oberlicht in das stickige
Büro drang, überzog den Raum mit silbernen Streifen. Martin
sah zu, wie Sonnenstäubchen hinter dem kugelförmigen Kopf
des BÜRGERS wie Sterne auf und ab tanzten. Die einzigen
Geräusche stammten von dessen Feder, die über das schwere
offizielle Pergament kratzte, und von ständig mahlenden
Rädern: Der Gehilfe des BÜRGERS war gerade dabei, den
Uhrwerkmechanismus des Analysegeräts auf seinem Schreibtisch
aufzuziehen. Das Zimmer roch nach Maschinenöl und schal, nach
Angst.
    »Wirft man mir überhaupt irgendetwas vor?«, hakte
Martin nach.
    Der BÜRGER beachtete ihn nicht, sondern beugte den Kopf
erneut über seine Formulare. Nachdem er seine reguläre
Dienstpflicht erfüllt hatte, begann der junge Gehilfe damit,
einen Papierstreifen aus dem Gerät zu ziehen.
    Martin stand auf. »Falls man mir nichts vorwirft, gibt es
dann irgendeinen Grund, warum ich bleiben sollte?«
    Diesmal bedachte der BÜRGER ihn mit einem finsteren Blick.
»Setzen«, schnappte er.
    Martin nahm wieder Platz.
    Draußen herrschte an diesem Nachmittag kaltes, klares
Aprilwetter. Die Glocken von Sankt Michael hatten gerade zwei Uhr
geschlagen, und am Platz der Fünf Ecken führte das
berühmte Ebenbild der Herzogin Ruck für Ruck die ewig
gleiche Pantomime auf. Die Langeweile zerrte an Martins Nerven. Es
fiel ihm schwer, sich an den Lebensrhythmus der Neuen Republik zu
gewöhnen; erst recht brachte es ihn zur Raserei, wenn er es mit
der Bürokratie zu tun hatte, die sich alle Zeit der Welt zu
nehmen schien. Inzwischen war er schon vier Monate hier, vier
grässliche Monate, um eine Arbeit zu erledigen, die eigentlich
auf zehn Tage angelegt gewesen war. Allmählich fragte er sich,
ob er die Erde überhaupt noch einmal wieder sehen würde,
ehe ihn die Altersschwäche dahinraffte.
    Tatsächlich hatte er es so satt, auf die Arbeitserlaubnis zu
warten, dass er die Vorladung in irgendein Büro hinter der
eisernen Fassade des Basilisken an diesem Morgen sogar mit
Erleichterung aufgenommen hatte, da sie Abwechslung im
eintönigen Alltag versprach. Im Gegensatz zu den Untertanen der
Neuen Republik reagierte er nicht mit lähmender Panik auf eine
solche Vorladung. Was konnte das Büro des Kurators ihm schon
anhaben, einem fremdländischen Ingenieur mit niet- und
nagelfestem Werkvertrag der Admiralität? Außerdem hatte
die Vorladung ihm ein Kurier in Uniform auf dem
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