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Singularität

Singularität

Titel: Singularität
Autoren: Charles Stross
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Garnison vom Stadtkern ab.
    Aber am schlimmsten war der Markt, der sich auf dem offenen
Gelände des nördlichen Paradefelds spontan ausbreitete
– ein Markt, auf dem kein Mensch irgendeiner Arbeit nachging, es
alles und jedes umsonst gab und jeder nur mögliche Wunsch auf
Anfrage erfüllt wurde (darunter auch Bitten, die niemand bei
rechtem Verstand geäußert hätte).
     
    Am dritten Tag des feindlichen Einfalls betrat Seine Exzellenz,
der Herzog Felix Politowski, Regent über Rochards Welt, die
Sternenkammer, um sich mit seinem Stab zu besprechen und mittels
einer Telekonferenz (so teuer, dass es ihm das Wasser in die Augen
trieb) seinen Kaiser um Hilfe zu ersuchen.
    Politowski war ein zur Fülle neigender, weißhaariger
Mann um die fünfundsechzig, den keine der – offiziell
verbotenen – ärztlichen Verjüngungskuren konserviert
hatte. Ihm eilte der Ruf nach, es mangele ihm an Fantasie. Und ganz
gewiss war er nicht aufgrund eines überwältigenden
politischen Scharfsinns zum Gouverneur dieser rauen,
hinterwäldlerischen Kolonie ernannt worden, auf der man
Unruhestifter und zweitgeborene Söhne ablud. Doch trotz seiner
sturen Wesensart und des Mangels an Einfühlungsvermögen
machte sich Felix Politowski große Sorgen.
    Die Männer seines Stabs, die Uniform oder die formelle
Kleidung des Diplomatischen Korps trugen, nahmen Haltung an, als er
den üppig getäfelten Raum betrat und zum Kopfende des
Konferenztisches marschierte. »Bitte nehmen Sie Platz, meine
Herren«, schnarrte er und ließ sich in den Lehnstuhl
fallen, den zwei Bedienstete unauffällig für ihn
bereitgestellt hatten. »Beck, sind wir während der Nacht
irgendwie vorangekommen?«
    Gerhard von Beck, der BÜRGER, der die örtliche
Niederlassung des Kuratorenbüros leitete, schüttelte
trübsinnig den Kopf. »Weitere Unruhen am Südufer. Die
Menge hat nicht gekämpft, sondern sich aufgelöst, als ich
ein Sonderkommando der Wachen hingeschickt habe. Bis jetzt scheint
die Moral in den Kasernen noch ganz gut zu sein. Molinsk ist von der
Außenwelt abgeschnitten. Gestern sind keinerlei Berichte von
dort eingegangen, und der Hubschrauber, den wir zur Aufklärung
entsandt haben, hat sich nicht zurückgemeldet. Die Partei der
Demokratischen Revolution macht in der Stadt die Hölle los,
genau wie die Radikalen. Ich habe versucht, die üblichen
Verdächtigen in Polizeigewahrsam nehmen zu lassen, aber sie
haben eine unabhängige Räterepublik ausgerufen und weigern
sich zu kooperieren. Die schlimmsten Elemente haben sich in der
Getreidebörse verschanzt, knapp vier Kilometer südlich von
hier, halten dort fortwährend Ausschusstreffen ab und geben
pünktlich zur vollen Stunde Proklamationen und
revolutionäre Kommuniques heraus. Sie ermutigen die Menschen,
sich mit den Feinden einzulassen.«
    »Warum haben Sie keine Truppen eingesetzt?«, polterte
Politowski los.
    »Sie behaupten, sie hätten Atomwaffen in ihrem Besitz.
Und falls wir dort einschreiten würden…« Er zuckte mit
den Achseln.
    »Oh.« Der Gouverneur strich sich betroffen über den
Schnauzbart und seufzte. »Kommandeur Janaczeck, was gibt es
Neues bei der Marine?«
    Janaczeck, ein großer, besorgt wirkender Mann in der Uniform
eines Marineoffiziers, erhob sich von seinem Platz. Er wirkte sogar
noch nervöser als der normalerweise so beherrschte BÜRGER
von Beck. »Aus dem Wrack der Sachalin sind zwei Kapseln
mit Überlebenden entkommen, die wir inzwischen beide bergen
konnten. Mittlerweile haben wir die Überlebenden vernommen.
Offenbar hat sich die Sachalin einem der größeren
Störflieger des Feindes genähert und verlangt, dass er sich
sofort aus der näheren Umlaufbahn zurückzieht und eine
Zollinspektion zulässt. Als darauf keine Reaktion erfolgte, hat
die Sachalin in die Flugbahn des Störers gefeuert. Was
als Nächstes passierte, ist nicht ganz klar – keiner der
Überlebenden ist Offizier mit Befehlsgewalt, und die Berichte
widersprechen einander –, aber es scheint so, als wäre
irgendein Fremdkörper in die Sachalin eingeschlagen und
hätte den Zerstörer anschließend
verschlungen.«
    »Verschlungen?«
    »Ja, Sir.« Janaczeck schluckte schwer. »Irgendeine
verbotene Technologie.«
    Politowski erbleichte. »Bormann?«
    »Ja, Sir?« Sein Adjutant blieb zwar sitzen, nahm aber
Haltung an.
    »Offensichtlich haben wir hier eine Situation, die wir ohne
Unterstützung von außen nicht mehr in den Griff bekommen.
Wie viel akausale Bandbreite steht dem Postamt für eine
Telekonferenz mit
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