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Singularität

Singularität

Titel: Singularität
Autoren: Charles Stross
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Oktoberaufstands vor zwölf Jahren
noch Feuer unterm Hintern, einen Revolver in der Hand und die
Aufmerksamkeit von zehntausend Mitgliedern der
Bahnarbeitergewerkschaft gehabt hatte.
    »Wenn unsere geheimnisvollen Wohltäter gern bereit sind,
alte Geschichten gegen Fahrräder einzutauschen, frage ich mich
jedenfalls, was sie wohl für eine allgemeine Theorie der
postindustriellen Volkswirtschaft geben würden.«
    »Wenn man mit dem Teufel isst, braucht man einen langen
Löffel«, gab Marcus zu bedenken.
    »Oh, keine Angst, ich will ja nur ein paar Fragen
stellen.« Rubenstein griff nach dem Telefon und wendete es
neugierig hin und her. »Wo ist… ah, hier. Ein Apparat.
Könnt ihr mich hören?«
    »Ja.« Die Stimme klang leise, merkwürdig akzentfrei
und leicht melodisch.
    »Gut. Wer seid ihr, wo kommt ihr her, und was wollt
ihr?«
    »Wir sind das Festival.« Die drei Dissidenten beugten
sich so nahe über das Telefon, dass ihre Köpfe fast
zusammenstießen. »Wir sind vielmals
zweihundertsechsundfünfzig Lichtjahre gereist und haben das
Vielfache von sechzehn bewohnten Planeten besucht. Wir suchen nach
Information und treiben Handel.«
    »Ihr treibt Handel?« Burija blickte leicht
enttäuscht auf. Interstellare Kapitalisten waren nicht gerade
das, worauf er gehofft hatte.
    »Wir schenken euch alles, was ihr wollt, wenn ihr uns etwas
gebt. Irgendetwas, das wir noch nicht kennen: Kunst, Mathematik,
Komödien, Literatur, Biografien, Religion, Gene, Design. Was
möchtest du uns geben?«
    »Wenn du sagst, ihr schenkt uns alles, was wir wollen, was
genau meinst du dann damit? Ewige Jugend? Freiheit?« In seinen
Worten schwang eine schwache Andeutung von Sarkasmus mit, aber das
Festival zeigte keine Anzeichen dafür, dass es ihm aufgefallen
war.
    »Mit abstrakten Dingen ist es schwierig. Auch der Austausch
von Informationen ist schwierig – die geringe Bandbreite
verwehrt uns den Zugang dazu. Aber wir können jedes
gewünschte Gebilde für euch schaffen und es aus dem Orbit
fallen lassen. Möchtest du ein neues Haus? Oder einen Wagen, der
ohne Zugpferde auskommt und auch fliegen und schwimmen kann?
Kleidung? Wir machen’s.«
    Timoschewski riss Mund und Augen auf. »Habt ihr etwa eine
Maschine wie ein Füllhorn?«, fragte er atemlos. Burija biss
sich auf die Zunge; zwar war ihm Timoschewski ja wohl ins Wort
gefallen, aber unter diesen Umständen war das durchaus
verständlich.
    »Ja.«
    »Gebt ihr uns auch eine? Mit einer Betriebsanleitung und
einer Bibliothek, die auf den Bedarf einer Kolonie abgestimmt
ist?«, fragte Burija mit pochendem Puls.
    »Vielleicht. Was gebt ihr uns im Austausch?«
    »Hm. Wie wär’s mit einer post-marxistischen Theorie
der post-technologischen Volkswirtschaft? Und einem Beweis
dafür, dass die Erbherrschaft des Hochadels, die Diktatur, nur
durch die systematische Unterdrückung und Ausbeutung der
Arbeiter und Techniker aufrechterhalten werden kann und nicht
überleben wird, sobald die Menschen erst einmal die
Produktionsmittel in den Händen haben – Produktionsmittel,
die sich selbst reproduzieren können?«
    Während kurz Stille eintrat, atmete Timoschewski heftig aus.
Er wollte gerade etwas sagen, als das Telefon ein seltsames
Geräusch von sich gab, das wie ein Läuten klang. »Das
genügt uns. Ihr werdet die Theorie an diesen Schwingungsknoten
liefern. Wir haben bereits alles Nötige zum Klonen eines
Replikators und einer Bibliothek veranlasst. Rückfrage: Seid ihr
in der Lage, den postulierten Beweis für die Gültigkeit der
Theorie zu liefern?«
    Burija grinste. »Enthält euer Replikator auch Pläne
dafür, sich selbst zu reproduzieren? Und Pläne zur
Erzeugung von Fusionswaffen, Militärflugzeugen und
Geschützen?«
    »Ein eindeutiges Ja auf alle Haupt- und Nebenfragen.
Rückfrage: Seid ihr in der Lage, den postulierten Beweis
für die Gültigkeit der Theorie zu liefern?«
    Timoschewski traktierte die Luft mit Faustschlägen und
hüpfte im Büro herum. Selbst der normalerweise recht
phlegmatische Wolff grinste wie ein Wahnsinniger. »Gebt den
Arbeitern einfach die Produktionsmittel, dann liefern wir euch den
Beweis«, erwiderte Rubenstein. »Wir müssen hier erst
einmal ein vertrauliches Gespräch führen und melden uns in
einer Stunde wieder. Mit den geforderten Texten.« Er schaltete
das Telefon aus. »Ja!«
    Nach einer Minute hatte sich Timoschewski wieder ein wenig
beruhigt. Rubenstein wartete nachsichtig ab; ehrlich gesagt
fühlte er sich ja genauso. Aber als Führer der
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