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Simulacron-Drei

Simulacron-Drei

Titel: Simulacron-Drei
Autoren: Daniel F. Galouye
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starrte sie an.
    »Verstehst du denn nicht?« fuhr sie fort. »Nur weil wir hier unten sind, brauchen wir doch unsere Vorstellung von Gott nicht mit der eines allmächtigen, größenwahnsinnigen Machthabers über einen Umwelt-Simualtor zu vertauschen.«
    Ich begriff langsam und nickte.
    »Der Geist zählt«, meinte sie überzeugt. »Und wenn es ein Leben nach dem Tod gibt, dann wird es den Subjekten dieser Welt genausowenig verweigert, wie den Reaktions-Einheiten in Fullers Simulator oder den wirklichen Menschen meiner eigenen Welt.«
    Sie legte ihren Kopf an meine Schulter.
    »Wir dürfen nicht hoffen, daß diese Welt zu retten ist, Doug. Aber mir macht das nichts aus. Nicht wirklich. Schau, ich hab’ dich dort oben verloren, aber hier wiedergefunden. Wenn unsere Rollen vertauscht wären, würdest du genauso fühlen, und ich könnte dich verstehen.«
    Ich küßte sie, als sei der nächste Augenblick der letzte vor dem Untergang unserer Welt.
    Zufrieden sagte sie: »Wenn es so aussieht, als wollte er diese Welt noch ein paar Tage dauern lassen, gehe ich wieder hinauf – aber nur, um den Modulator für einen Spannungsstoß vorzubereiten. Dann komme ich zurück. Ein paar Sekunden später wird die Verbindung zwischen der Projektion hier unten und meinem körperlichen Ich oben zerrissen sein. Endgültig. Und ich bin dann ein Teil dieser simulektronischen Welt.«
    Ich konnte nichts sagen. Ich hatte versucht, sie zu überzeugen, aber statt dessen hatte sie mich überzeugt.
    Die Sonne war höher gestiegen und schickte ihre Strahlen ins Zimmer.
    »Er hat sich – noch nicht eingeschaltet?« fragte sie.
    »Warum?«
    »Ich habe Angst, Doug. Vielleicht will er sich noch einmal mit dir vergnügen, bevor er den Simulator abschaltet.«
    Ich fühlte, wie sie zitterte, und legte den Arm um sie.
    »Du sagst es mir, wenn die Verbindung zustande kommt?« fragte sie.
    Ich nickte, aber auch jetzt wollte ich den Grund wissen.
    »Weil es vielleicht doch Wirkung auf ihn hat, wenn er erfährt, daß ich für immer hier unten bleibe.«
    Ich dachte an den Douglas Hall in der Höheren Wirklichkeit. In gewisser Beziehung waren er und ich nur verschiedene Facetten ein und derselben Person. Der Ausdruck ›nach seinem Ebenbilde‹ tauchte in meinen Gedanken auf, aber ich wich den falschen theologischen Überlagerungen aus. Er war eine Person; ich war eine Person. Er war natürlich gewaltig im Vorteil, aber abgesehen davon trennte uns nur eine simulektronische Barriere – eine Barriere, die sein Denken pervertiert, sein Fühlen umgestaltet, ihm Größenwahn eingeflößt und ihn zu einem fast Wahnsinnigen gemacht hatte.
    Er hatte umbarmherzig gefoltert und gemordet, mit brutaler Gleichgültigkeit Reaktionswesen behandelt. Aber trug er moralisch irgendeine Schuld? Er hatte Leben auf dem Gewissen – Fuller und Collingsworth. Aber es hatte sie ja nie gegeben. Ihre einzige Wirklichkeit hatte darin bestanden, daß er ihnen durch die raffinierte Schaltung seines Simulators ein subjektives Bewußtsein verlieh.
    Ich wehrte mich gegen diese demütige Haltung. Ich hatte keine Lust, für den Hall da oben als Fürsprecher aufzutreten. Er hatte gemordet – brutal und gemein. Ohne eine Spur von Mitleid hatte er diejenigen Analogwesen beseitigt, denen sich die Illusion der Wirklichkeit entschleierte. Und er hatte nicht nur Reaktions-Einheiten beseitigt, sondern menschliche Wesen getötet. Denn das Bewußtsein ist der einzig wahre Maßstab des Existierens.
    Cogito ergo sum, erinnerte ich mich. Ich denke, also bin ich.
    So mußte es sein.
    Ich stand auf, ging zum Fenster zurück und starrte auf die überfüllten Transportbänder hinunter. Ich konnte sogar einen Teil des TEAG-Gebäudes sehen. Die Szenerie dort drüben war gleichsam elektrisch geladen. Hunderte besorgter Personen, ungeduldig auf Siskins Vorführung wartend, verstopften die Verkehrswege, brachten die Rollbänder durch ihr Gewicht und ihre Anzahl zum Stehen.
    »Rührt sich der ›Steuermann‹ immer noch nicht?« fragte Jinx. Ich schüttelte den Kopf, ohne mich umzudrehen. Es waren die Leute, die Reaktionswesen selbst, dachte ich, die dem Großen Simulektroniker ins Gehege gekommen waren. Sie hatten ihre eigene Vernichtung unvermeidbar gemacht.
    Der Druck der öffentlichen Meinung schützte Fullers Simulator, der endgültig zerstört werden mußte, wenn diese Welt weiterbestehen sollte.
    Irgendwie konnte man die Ironie fühlen. Siskin in Person war für die Einstellung der Massen verantwortlich. Er
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