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Simulacron-Drei

Simulacron-Drei

Titel: Simulacron-Drei
Autoren: Daniel F. Galouye
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drehte mich um und sah Jinx an. Sie bewegte sich nicht. Ich ging hinüber und starrte auf sie hinunter. Selbst in ihrer tranceähnlichen Unbeweglichkeit war sie schön. Sie hatte versucht, mich vor dem entsetzlichen Wissen zu bewahren, daß das Ende unserer ganzen Welt nahe war. Und sie hatte mich geliebt. So sehr, daß sie mit mir untergehen wollte.
    Ich beugte mich hinunter und nahm ihr Gesicht in meine Hände, spürte ihre zarte Haut, das seidige Haar an meinen Fingern. Hier war sie eine Projektion ihres physischen Ichs. Sie mußte dort oben genauso schön sein. Es war nicht gerecht, daß sie sich hier opferte.
    Ich küßte sie auf die Stirn, dann auf die Lippen. Hatte ich einen schwachen Widerdruck gespürt? Ich wurde nervös. Das würde bedeuten, daß ihr Wille sich wieder durchzusetzen begann. Das konnte ich nicht zulassen. Ich durfte nicht erlauben, daß sie hier in der Falle saß, wenn der letzte Augenblick simulektronischer Existenz kam. Er würde auch für sie das Ende bedeuten – für ihr wahres Ich ebenso wie für ihre Projektion in meiner Welt.
    »Jinx.«
    »Ja.«
    Zum erstenmal seit Stunden zuckten ihre Lider.
    »Du ziehst dich jetzt zurück«, befahl ich, »und du kommst nicht wieder!«
    Ich trat zurück und wartete.
    »Ich zieh mich zurück und komme nicht wieder.«
    Ich wartete einen Augenblick lang ungeduldig, dann wiederholte ich: »Du ziehst dich zurück – sofort!«
    Sie zitterte, und die Umrisse ihrer Gestalt verschwammen wie in einem Nebel.
    Aber die Illusion verschwand, wieder wirkte sie ganz real.
    Wenn ich sie nun nicht zwingen konnte, zurückzugehen?
    Verzweifelt griff ich nach der Waffe. Vielleicht eine nochmalige Bestrahlung …
    »Jinx! Verschwinde! Ich befehle es!«
    Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Maske des Protestes.
    »Nein, Doug«, flüsterte sie leise. »Zwing mich nicht!«
    »Verschwinde!« brüllte ich.
    Wieder verschwammen die Umrisse, dann war Jinx plötzlich verschwunden. Ich steckte die Pistole wieder in die Tasche und setzte mich auf den Bettrand. Was nun? Konnte ich noch etwas anderes tun als warten? Wie kämpfte man gegen einen Gegner, der allmächtig war – ein allmächtiger, von Größenwahn befallener Simulektroniker? Wann würde es soweit sein? Hatte ich Frieden bis zu diesem Augenblick, oder würde er Zeit finden, Katz und Maus mit mir zu spielen? Sollte mein Ende mit der allgemeinen Deprogrammierung zusammenfallen, oder wußte er etwas Besonderes für mich, vor dem Erlöschen der ganzen Welt? Vergleichbar mit dem, was er Avery Collingsworth angetan hatte?
    Ich versuchte, eine Weile nicht an mein persönliches Schicksal zu denken, und fragte mich, ob hier unten etwas getan werden konnte, um jenen Entschluß, die ganze simulektronische Welt zu zerstören, bei ihm rückgängig zu machen. Ich ging alles noch einmal durch. Die Nützlichkeit seiner Maschine war unzweifelhaft bedroht. Fuller hatte einen Simulator innerhalb seines Simulators gebaut, der dasselbe leisten sollte, wie der eigentliche. Beide sollten dazu dienen, die öffentliche Meinung zu erforschen, indem bei Analog-Menschen Reaktionen hervorgerufen wurden.
    Wenn Fullers unechte Maschine jetzt jedoch ihre Aufgabe erfüllte, konnte der Große Simulator nicht mehr arbeiten. Denn wenn die TEAG Voraussagen für Produktion, Regierung, religiöse Institutionen, Soziologen und so weiter lieferte, würden die Meinungsforscher selbst verschwinden müssen.
    Die Lösung war klar. Man mußte einen Weg finden, den Verband der Test-Interviewer am Leben zu erhalten, damit das System des Großen Simulators, hier bei den Subjekten Reaktionen festzustellen, weiter existieren konnte.
    Aber – auf welche Weise?
    Es gab hier, abgesehen von der Test-Interviewer-Organisation, keine Reaktions-Einheit, die sich nicht für Fullers Maschine einsetzen würde. Siskin hatte einfach zuviel versprochen.
    Der Große Simulektroniker dort oben konnte zwar Fullers Simulator zerstören lassen, durch eine weitere Thermitladung, vielleicht sogar durch einen Blitz, aber das wäre keine Lösung, weil man nicht nur sofort beginnen würde, eine neue Anlage zu bauen, sondern weil sich auch der Haß der andern Reaktions-Einheiten gegen die Test-Interviewer richten mußte.
    Gleichgültig, wie man es ansah, der Verband der Test-Interviewer hatte keine Chance. Deshalb mußte eine ganze Welt, ein ganzes Universum, ausgelöscht werden, um einen neuen Anfang zu ermöglichen. Ich stand wieder am Fenster und sah die große, orangefarbene Sonnenscheibe am
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