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Silvy will die Erste sein

Silvy will die Erste sein

Titel: Silvy will die Erste sein
Autoren: Marie Louise Fischer
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Silvys
Arbeit stand die Note „ausreichend“. Das war das erste „Ausreichend“ in
Mathematik, das sie je bekommen hatte, und sie kränkte sich so sehr, daß sie
ihre guten Vorsätze vergaß und sich statt dessen vornahm, alles daranzusetzen,
nur noch Einser und Zweier zu schreiben.
    Leonore hatte ein Ungenügend
geschrieben, aber das ließ Silvy völlig kalt, denn ihrer Meinung nach hatte
Leonore nichts Besseres verdient, während sie selber das Opfer eines bösen Streiches
geworden war.
    Sie hätte zu gerne Krach mit
Katrin, mit Olga oder mit Ruth angefangen, um ihren Ärger loszuwerden. Sie
versuchte es auch, indem sie nach der Stunde zu den Freundinnen hinging und
sagte: „Jetzt bildet ihr euch wohl wer weiß was ein, weil ihr ein einziges Mal
im Leben besser abgeschnitten habt als ich!“
    Aber die vier blickten sie nur
aus großen Augen an, wandten sich ab und setzten ihr Gespräch fort, als wenn
sie gar nicht vorhanden wäre.
    „Einmal habt ihr mich
hereingelegt“, rief Silvy, „aber das wird euch nicht wieder glücken! Ich sage
euch...“
    Katrin fiel ihr ins Wort.
    „Halt die Klappe. Wir wollen
nichts davon hören, Silvy. Merkst du denn nicht, wie unangebracht deine
Stänkereien sind? Schreib ruhig weiter deine Einser, das ist uns völlig
schnuppe. Uns geht es jetzt nur noch um Leonore. Aber das kannst du wohl nicht
verstehen.“ Sie zog die Freundinnen mit sich fort.
    Silvy stand wieder einmal
allein da, und zu allem Überfluß stellte sie fest, daß die anderen
Mitschülerinnen die kleine Szene beobachtet hatten und sie jetzt schadenfroh
grinsend beobachteten.
    „Du wirst denen doch nicht etwa
nachlaufen?“ spottete die blonde Else. „So geistig hochstehend, wie du bist,
hast du es doch bestimmt nicht nötig, dich um die Gunst von gewöhnlichen Sterblichen
zu bemühen.“
    Silvy wurde blaß und rot und
kehrte verwirrt auf ihren Platz zurück.
    In den letzten Wochen des
Schuljahres nahm sie noch einen Anlauf und kämpfte verbissen um die besten
Noten. Sie bekam sie auch, aber merkwürdig, sie erfüllten sie nicht mehr mit
Stolz, denn es gab niemanden, der sie darum beneidet oder sie damit aufgezogen
hätte. Die Freundinnen taten nicht nur so, sondern es war ihnen wirklich
gleichgültig, ob Silvy sich auszeichnete oder nicht. Katrin, Ruth und Olga
nahmen ja nicht einmal ihre eigenen Noten mehr wichtig, denn sie waren sich
sicher, daß sie in die nächste Klasse aufsteigen würden, und sie hatten nur
noch die eine Sorge, ob es ihnen gelingen würde, Leonore mitzuziehen. Was Silvy
tat oder unterließ, ließ sie völlig kalt, sie betrachteten sie nicht mehr als
eine der ihren.
    Dann kam der letzte Schultag
und die Verteilung der Zeugnisse. Silvy hatte mit Glanz und Gloria
abgeschnitten, aber der süße Taumel des Triumphes, der sie früher beim Anblick
ihrer Noten erfüllt hatte, blieb diesmal aus. Sie fühlte sich innerlich ganz
leer und hohl.
    Sie warf einen Blick zu Leonore
hinüber und sah, daß ihre Augen sich mit Tränen füllten, während ihre Lippen
lächelten.
    „Was ist?“ fragte Silvy
spontan. „Bist du versetzt?“
    „Bedingt“, sagte Leonore.
    „Was heißt das?“
    „Ich muß Anfang des nächsten
Schuljahres eine Prüfung in Englisch und Mathe ablegen. Wenn ich die bestehe,
steige ich auf, sonst...“ Leonore zuckte die Achseln.
    „Verflixt!“ rief Silvy. „Dann
mußt du die ganzen Ferien ochsen.“
    „Nicht so schlimm“, sagte
Leonore, „wenigstens habe ich eine Chance.“
    Frau Dr. Mohrmann verließ das
Klassenzimmer, und Katrin, Olga und Ruth stürzten sich auf Leonore, um sich ihr
Zeugnis anzusehen und das Ereignis zu besprechen. Auch sie fanden, daß es viel
schlimmer hätte kommen können.
    Silvy fühlte sich wieder einmal
ausgeschlossen. Sie steckte ihr eigenes Zeugnis ein, nach dem niemand fragte,
und stand auf. „Moment mal, Silvy“, sagte Leonore, „weißt du eigentlich, daß
meine Mutter wieder gesund ist? Sie hat uns erlaubt, meine Geburtstagsparty
nachzuholen. Morgen nachmittag wird gefeiert. Wenn du Lust hast, kannst du
kommen.“
    „Ich dachte, ihr wolltet nichts
mehr mit mir zu tun haben!“ entfuhr es Silvy.
    „Ach was“, sagte Katrin rasch,
„wir hatten bloß keine Zeit für dich.“
    Sofort wandte sie sich wieder
Leonore zu. „Für Bio und Erdkunde solltest du auch was tun, Leonore, damit du
im nächsten Jahr eine richtige Grundlage hast und...“
    Silvy fühlte sich beiseite
geschoben; sie schlenderte hinaus.
    Sollte sie zu Leonores Party
gehen?
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