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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge
Autoren: Jim Butcher
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dünn und bebend. Das verdammte Lampenfieber.
    Er ließ los, und ich zog abrupt den Arm zurück. Die Mitarbeiter rollten die rauchende Kamera hinaus, und ein Regisseur mit einem Kopfhörer machte mit einer Hand eine Geste, dass es weitergehen sollte. Larry nickte und wandte sich an Ortega.
    »Tut mir leid, das schneiden wir später heraus.«
    »Kein Problem«, versicherte Ortega ihm. Larry hielt einen Moment inne, dann fuhr er fort: »Doktor Ortega, herzlich willkommen in der Show. Sie sind berühmt für Ihre Analysen paranormaler Phänomene auf der ganzen Welt, und Sie haben bewiesen, dass eine große Zahl sogenannter übernatürlicher Vorfälle im Grunde nur raffinierte Tricks waren. Können Sie uns etwas mehr darüber erzählen?«
    »Aber gern. Ich untersuche diese Phänomene schon seit einer ganzen Reihe von Jahren und bin noch nie auf ein Ereignis gestoßen, das sich nicht auf ganz natürliche Weise hätte erklären lassen. Die angeblichen Kornkreise etwa waren nichts anderes als die Freizeitbeschäftigung einer kleinen Gruppe britischer Bauern. Andere Ereignisse waren gewiss sehr ungewöhnlich und dennoch beileibe nicht übernatürlich. Hier in Chicago gab es beispielsweise einen Krötenregen, den Dutzende, wenn nicht Hunderte Menschen in einem Stadtpark beobachteten. Später stellte sich heraus, dass ein ungewöhnlich starker Sturm die Kröten an einem anderen Ort ausgehoben und hierherbefördert hatte.«
    Larry nickte ernst. »Dann glauben Sie also nicht an übernatürliche Ereignisse.«
    Ortega lächelte selbstgefällig. »Ich würde gern glauben, dass diese Dinge wahr sind, Larry. Es gibt viel zu wenig Magie in der Welt. Aber ich fürchte, Tatsache ist, dass es sich stets um einfachen, primitiven Aberglauben handelt, auch wenn wir alle irgendwo tief in unserem Herzen gern an Wunderwesen und fantastische Kräfte glauben würden.«
    »Dann sind also die Anwender der übernatürlichen Disziplinen in Ihren Augen…«
    »Scharlatane«, erwiderte Ortega wie aus der Pistole geschossen. »Damit will ich natürlich nicht Ihre Gäste beleidigen. Alle sogenannten Medien, vorausgesetzt, sie machen sich nicht selbst etwas vor, sind in Wirklichkeit nur geschickte Schauspieler, die etwas von der menschlichen Psychologie verstehen und dies auszunutzen wissen. Sie täuschen die Gutgläubigen und spiegeln ihnen vor, sie könnten mit den Toten Kontakt aufnehmen oder Gedanken lesen, oder sie seien gar selbst übernatürliche Wesen. Wenn ich mir ein wenig Mühe gebe und die richtige Umgebung schaffe, dann könnte ich sicherlich jeden in diesem Raum davon überzeugen, dass ich ein Vampir bin.«
    Die Zuschauer lachten, ich dagegen starrte Ortega finster an, während die Frustration in mir wuchs und den Dämpfungsspruch erneut unter Druck setzte. Die Luft rings um mich wurde merklich wärmer.
    Ein zweiter Kameramann schrie erschrocken auf und riss sich die quietschenden Kopfhörer herunter, während seine Kamera sich langsam um sich selbst drehte und die Stromkabel um das Gestell wickelte, auf dem sie stand. Die Schilder mit der Aufschrift »AUFNAHME« erloschen. Larry marschierte zum Rand der Bühne und brüllte den armen Kameramann an. Von der Seite erschien der Regisseur mit verlegener Miene, auf den Larry gleich danach seine Aufmerksamkeit richtete. Der Mann ließ die Beschimpfungen mit stoischer Geduld über sich ergehen und untersuchte die Kamera. Er murmelte etwas in sein Headset, dann rollte er zusammen mit dem erschütterten Kameramann das kaputte Gerät hinaus.
    Larry verschränkte unterdessen ungeduldig die Arme vor der Brust und wandte sich an seine Gäste. »Es tut mir leid. Geben Sie uns ein paar Minuten Zeit, damit wir eine Reservekamera holen können. Es wird nicht lange dauern.«
    »Kein Problem«, versicherte Ortega ihm. »Wir können uns ja einstweilen unterhalten.«
    Dann fasste Larry mich ins Auge. »Geht es Ihnen nicht gut, Mister Dresden? Sie wirken ein wenig bleich. Möchten Sie vielleicht etwas trinken?«
    »Ich ganz sicher«, sagte Ortega, der mich keinen Moment aus den Augen ließ.
    »Ich lasse Ihnen etwas bringen.« Damit ging Larry von der Bühne ab, um seine Frisur nachzubessern.
    Mort hatte Vater Vincent bereits in eine leise Unterhaltung verwickelt und mir unmissverständlich den Rücken gekehrt. So wandte ich mich wieder vorsichtig und nicht ohne Befürchtungen an Ortega und kämpfte meine Wut und die Angst nieder. Normalerweise ist es nützlich, wenn ich ungeheure Angst habe, denn die Magie
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