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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge
Autoren: Jim Butcher
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einen Schluck. Der Spruch stand inzwischen so stark unter Druck, dass farbige Pünktchen vor meinen Augen tanzten.
    »Sie müssen dumm sein, mich zum Duell zu fordern«, sagte ich. »Selbst wenn Sie mich töten, würde Sie mein Todesfluch treffen.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Ich bin nicht so wichtig wie das Wohl des Hofs. Dieses Risiko gehe ich ein.«
    Bei den Toren der Hölle. Ehrenhafte, mutige, sich selbst aufopfernde Verrückte sind so ziemlich die schlimmsten Gegner, mit denen man es überhaupt zu tun bekommen kann. Ich versuchte es mit einem letzten Ausweichmanöver und hoffte das Beste. »Das müsste ich allerdings schriftlich haben, und der Rat bekommt eine Kopie. Es müsste von allen anerkannt und offiziell nach dem Abkommen besiegelt werden.«
    »Stimmen Sie dem Duell zu, wenn dies geschieht?«
    Ich holte tief Luft. Natürlich hatte ich keine große Lust, gegen ein übernatürliches Ungeheuer anzutreten. Ich hatte Angst vor Vampiren. Sie waren stark, viel zu schnell und außerdem extrem widerlich. Ihr Speichel war ein suchterzeugendes Rauschmittel, und ich war ihm lange genug ausgesetzt gewesen, um hin und wieder ein eigenartiges Jucken zu verspüren und mich zu fragen, wie es wohl wäre, wenn ich eine weitere Dosis bekäme.
    In der letzten Zeit war ich nach Einbruch der Dunkelheit kaum noch draußen unterwegs gewesen, und zwar unter anderem, weil ich keine Lust hatte, immer wieder Vampiren zu begegnen. Ein Duell wäre ein fairer Kampf, und ich hasse faire Kämpfe, weil man dabei viel zu schnell verliert, wie es mal eine mörderische Feenkönigin ausdrückte.
    Doch ob ich mich nun auf Ortegas Angebot einließ oder nicht, ich musste so oder so gegen ihn kämpfen, und vermutlich an einem Ort und zu einer Zeit, die mir höchst ungelegen kommen würden. Außerdem zeigte er nicht das übergroße Selbstvertrauen und die Überheblichkeit, die ich von anderen Vampiren kannte. Sein ganzes Gebaren sagte mir, dass es ihm vor allem um mein Ableben ging, ganz egal, wie es dazu käme. Nicht nur das, ich war sicher, er würde Wort halten und über Menschen herfallen, die mir wichtig waren, wenn ich nicht einwilligte.
    Das perfekte Klischee eines Filmbösewichts.
    Und ein unglaublich wirkungsvolles Druckmittel.
    Ich würde gern behaupten, ich hätte alle Fakten abgewogen und sei voller Vernunft zu der rationalen Entscheidung gekommen, ein kalkuliertes Risiko einzugehen, aber so war es nicht. In Wahrheit dachte ich vor allem daran, dass Ortega und Konsorten den Menschen, die mir wichtig waren, etwas antun könnten, und sofort war ich wütend genug, um ihn auf der Stelle anzugehen. Mit zusammengekniffenen Augen sah ich ihn an und machte mir nicht einmal die Mühe, meine Wut zu zügeln. Der Dämpfungsspruch bröckelte, und ich hatte nicht die Nerven, ihn weiter zu erhalten. Schließlich brach er völlig zusammen, und die aufgestauten wilden Energien rasten lautlos und unsichtbar durchs Studio.
    Die Lautsprecher auf der Bühne knisterten und rauschten, bevor sie mit lautem Knacken ausfielen. In den Scheinwerfern über uns blitzte und knackte es, dann ging ein Funkenregen auf die Bühne nieder. Eine der beiden noch aktiven Kameras explodierte und fing Feuer, bläuliche Flammen schlugen aus dem Gehäuse. Aus sämtlichen Steckdosen in der Wand stoben orangefarbene und grüne Funken. Larry Fowler sprang mit einem erschrockenen Schrei auf und schlug auf seinen Gürtel, ehe es ihm gelang, sein schmorendes Handy auf den Boden zu werfen. Das Licht erlosch, die Zuschauer gerieten in Panik und schrien.
    Ortega, nur noch von den rieselnden Funken beleuchtet, machte eine grimmige und irgendwie begierige Miene. Tiefe Schatten tanzten über sein Gesicht und spiegelten sich in seinen riesigen dunklen Augen.
    »Na schön«, sagte ich. »Geben Sie mir das schriftlich, dann bin ich dabei.«
    Die Notbeleuchtung flammte auf, der Feueralarm schlug an, die Menschen stolperten eilig zu den Ausgängen. Ortega lächelte jetzt breit, huschte von der Bühne herunter und verschwand im Dunkeln.
    Leicht zitternd stand ich auf. Anscheinend war irgendetwas heruntergefallen und hatte Mort am Kopf getroffen. Er hatte eine kleine, stark blutende Platzwunde auf dem Schädel und schwankte bedenklich, als er aufzustehen versuchte. Vater Vincent und ich stützten den kleinen Ektomanten auf beiden Seiten und schleppten ihn zum Notausgang. Draußen bugsierten wir ihn eine Treppe hinunter, bis wir endlich das Gebäude verlassen konnten. Die Chicagoer Polizei war
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