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Silberhuf

Silberhuf

Titel: Silberhuf
Autoren: Alan Winnington
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konnte. Gewöhnlich gab es Koteletts zum Frühstück, Steaks zum Abendbrot und manchmal Schmorfleisch, sehr langsam auf schwelendem Yakdungfeuer zubereitet.
    Als wir die Gazelle verspeist hatten, oder zumindest die besten Stücke, sagte Vater, der mitten in einem aufregenden und komplizierten Arbeitsabschnitt steckte: „Warum versuchst du nicht, uns etwas Eßbares zu besorgen?“
    Ich war sofort Feuer und Flamme. „Aber verlier unser Tal nicht aus den Augen“, fügte er hinzu.
    Ich nahm mein Gewehr und stiefelte los, von unserem Tal in das nächste. Ich fühlte mich ziemlich verlassen, als ich so dastand in der weiten Ebene. Von einem Paß zum anderen waren es mindestens drei Meilen. Die weite Fläche, eben wie ein Billardtisch, war über und über mit hartem Gras, Mini-Edelweiß und winzigen Blumen bedeckt. Diese verkümmerten Abbilder allgemein bekannter Blumen, wie es zum Beispiel das Vergißmeinnicht ist, besaßen Blüten von der Größe eines Sandkorns. Alle diese weiten Ebenen sind ehemalige Seebetten, und diese war nach Aussage unserer Instrumente fast fünftausend Meter hoch. Sie war ringsherum von Bergen umgeben, die einem in dieser Höhe ziemlich klein erschienen. Höchstens achthundert bis tausend Meter höher als die Stelle, wo ich stand. Aber sie hatten natürlich Gipfel, die waren etwa siebentausend Meter über dem Meeresspiegel. Ihre Spitzen waren nichts alsnackter Fels und Geröll. Kein Lüftchen regte sich. Und die Einsamkeit war so erdrückend, daß ich mir ausmalte, wie es sein müßte, als erster Mensch auf dem Mond zu landen. Jenseits dieser Berge sah ich die viel, viel höheren Gebirge, in denender Schnee niemals schmilzt. Sie glitzerten im ewigen Schnee und Eis, für immer weiß und still. Wahrscheinlich hatte sie noch nie ein Mensch betreten, die Schneemenschen natürlich ausgenommen.

    Wir waren fast schwarz gebrannt von der Sonne, deren Strahlen voller Kraft durch die dünne Luft auf uns herniederprallten. Die Haut auf meiner Nase hatte sich so oft geschält, daß sie blutete. Um sie zu schützen, blieb mir nichts weiter übrig, als sie mit kleinen Papierfetzen zu bepflastern. Aber sobald wir in den Schatten überwechselten, schnitt die kalte Luft wie eine Klinge, und wir mußten eilig in unsere Schaffelljacken schlüpfen.
    Inzwischen hatte sich mein Körper an die Höhenluft gewöhnt. Ich konnte jetzt genauso schnell rennen und klettern wie unten, auf dem flachen Land. Vater meinte, ich sei viel besser dran als er, weil ich jünger war und mich schneller anpassen konnte. Und dabei war ich dauernd hungrig.
    Ich wollte für mein Leben gern das andere Ende der Ebene sehen. Leise pirschte ich mich, immer am unteren Ende des Bergfußes entlang, in weitem Bogen vorwärts. Dabei suchten meine Augen die Felswände nach Höhlen ab, denn in ihnen konnten sich Schneeleoparden verbergen, und die sind sehr gefährlich. Es dauerte eine Ewigkeit.
    Endlich hatte ich den Paß erreicht, der am Talende die Felswand durchschnitt, jeden Augenblick mußte die lang ersehnte Stelle kommen, die dem Auge eine völlig neue Landschaft erschließt. Da hörte ich ein lautes Getrappel, und plötzlich sprang ein Hirsch in vollem Galopp auf mich zu, wich zur Seite und rannte zwischen den Felsen entlang und entschwand meinen Augen. Er hatte ein verkrüppeltes Geweih. Ich duckte mich hinter einem Felsen und versuchte, das Tier zu erspähen, dassich irgendwo unten sehr ruhig verhielt. In dem Moment, als ich hinter dem Felsen hervorkroch, um es aufzuspüren, schoß mir ein Gedanke durch den Kopf. Warum war das Tier so gerast? Es schien erschreckt worden zu sein. Und sofort dachte ich an Schneeleoparden oder Wölfe.
    Aber es geschah nichts. Ich war gerade drauf und dran, den Hirsch anzupirschen, da drang ein Geräusch aus derselben Richtung, aus der das Tier gekommen war, an mein Ohr. Es war ein sehr mattes Geräusch, aber hörbar in der tiefen Stille. Während ich ängstlich horchte, den Finger am Abzug, drang das Klapp-Klapp von Pferdehufen, die auf den felsigen Boden des Passes aufschlugen, an mein Ohr.
    Pferde, also Menschen . . . Das war beruhigend. Ich hatte an gefährliche wilde Tiere gedacht. Eine Sekunde später kam auch schon der erste Reiter um die Ecke und einen Augenblick später der zweite, danach der dritte. Es waren sieben. Alle saßen auf herrlichen Tieren, deren breitgewölbte Brustkörbe genügend Atemraum hatten, um einen Mann zu tragen und dabei gleichzeitig ein paar schwierige Meilen zu galoppieren. Und
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