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Sigma Force 05 - Das Messias-Gen

Titel: Sigma Force 05 - Das Messias-Gen
Autoren: James Rollins
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Wenngleich Pythia den Atem Apollos gewohnt war, prallte sie vor dem aus der Tiefe aufsteigenden Geruch nach Mandelblüten erst einmal zurück.
    Der Prophezeiungen schenkende göttliche Odem.

    »Es ist Zeit«, sagte sie zu der jüngeren Schwester, die ihr ins Heiligtum gefolgt war. »Bring mir das Kind.«
    Pythia ging zu dem Dreibein hinüber und nahm darauf Platz. Die Dämpfe, die aus der Bodenspalte aufstiegen, hüllten sie ein. »Mach schnell.«
    Die jüngere Schwester hob das Kind hoch und setzte es ihr auf den Schoß. Pythia schloss es zärtlich in die Arme wie eine Mutter ihr Kind, doch das Mädchen reagierte nicht auf die Zuwendung.
    Pythia spürte bereits die Wirkung des göttlichen Odems. Ein wohlvertrautes Prickeln erfasste ihre Gliedmaßen. Als Apollo in sie eindrang, begann ihr Schlund zu brennen. Ihr Gesichtsfeld verengte sich.
    Das Kind aber war noch empfänglicher für den göttlichen Atem als sie.
    Der Kopf fiel ihm in den Nacken; die Lider sanken herab. Lange würde das Mädchen dies nicht aushalten. Doch wenn sie nicht alle Hoffnung fahren lassen wollte, musste sie ihm die Frage stellen.
    »Kind«, sagte Pythia, »erzähl uns mehr von diesem Jungen und dem Verhängnis, das von ihm ausgeht. Woher wird er kommen?«
    Die schmalen Lippen zuckten. »Aus mir. Aus meinen Träumen.«
    Das Kind tastete mit seinen kleinen Fingern nach Pythias Hand und drückte sie.
    Die Worte sprudelten jetzt aus seinem Mund. »Dein Haus ist leer … deine Quellen sind versiegt. Doch es wird ein neuer Quell der Prophezeiung fließen.«
    Pythia schloss die Arme fester um das Mädchen. Der Niedergang des Tempels dauerte schon viel zu lange an. »Ein neuer Quell.« Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit. »Hier in Delphi?«

    »Nein …«
    Pythias Atem beschleunigte sich. »Wo wird er entspringen?«
    Das Mädchen bewegte die Lippen, doch kein Laut kam heraus.
    Sie schüttelte das Kind. »Wo?«
    Das Mädchen hob das magere Ärmchen und legte es sich auf den Bauch.
    Plötzlich hatte Pythia eine Vision. Silbriges Wasser ergoss sich aus dem Nabel des Mädchens und aus seinem Schoß. Ein neuer Quell. Aber stammte diese Vision wirklich von Apollo? Oder war sie lediglich Ausdruck ihrer Hoffnung?
    Ein Schrei riss sie aus ihrem Dämmerzustand. Von oben war Stimmenlärm zu vernehmen. Eine Gestalt stolperte die Treppe herunter. Eine der Älteren, die sich um das Feuer kümmerten. Die Frau hatte sich an die Schulter gefasst. Blut quoll unter ihrer Hand hervor. Zwischen den Fingern schaute eine schwarze Pfeilspitze hervor.
    »Zu spät!«, rief die Frau und sank auf die Knie. »Die Römer …«
    Pythia hatte die Frau gehört, blieb aber im Nebel der Dämpfe gefangen. Sie gab sich der Vision hin und beobachtete, wie sich das dunkle Wasser zu einer schwarzen Gestalt formte … zum Schatten eines Jungen. Hinter ihm loderten Flammen.
    Die Worte, die das Kind vor einem Monat gesprochen hatte, hallten in ihrem Geist wider.
    Der Bruder des Hebräerjungen … der, welcher die Welt in Brand stecken würde.
    Pythia hielt das erschlaffte Mädchen in den Armen. Seine Prophezeiung kündete von Verhängnis und Rettung. Vielleicht wäre es am besten, es der kaiserlichen Legion zu überlassen und der Ungewissheit ein Ende zu machen. Lautes Geschrei
drang zu ihr herunter. Es war zu spät, um noch zu flüchten. Der einzige Ausweg war der Tod.
    Gleichwohl schwoll die Vision in ihr an.
    Ein neuer Quell wird entspringen .
    Tief atmete sie die Dämpfe ein, nahm Apollo vollständig in sich auf.
    Was soll ich tun?
     
    Der römische Zenturio schritt durch den Tempel. Er hatte genaue Anweisungen. Er sollte das Mädchen töten, das den Untergang des Reiches prophezeit hatte. Am Abend zuvor hatten sie eine Tempeldienerin gefangen genommen, eine junge Frau. Als man sie peitschte, hatte sie verraten, dass sich das Kind noch immer im Tempel aufhielt. Dann hatte er sie seinen Männern überlassen.
    »Bringt die Fackeln!«, rief er. »Durchsucht jeden Winkel!«
    An der rückwärtigen Wand fiel ihm eine Bewegung ins Auge. Er zog das Schwert.
    Eine Frau trat aus dem Schatten eines Treppenabgangs hervor. Benommen stolperte sie zwei Schritte in den Tempelraum hinein. Sie war weiß gekleidet und trug einen Lorbeerkranz auf dem Kopf.
    Er wusste sogleich, wen er da vor sich hatte.
    Das Orakel von Delphi.
    Der Zenturio unterdrückte seine aufflackernde Angst. Wie viele Legionäre praktizierte auch er insgeheim die alten Riten. Er opferte Mithras sogar Stiere und badete in ihrem
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